D i Erscheint ptiitwoch iiuh Snmatng clöntr Bolksfrntttö. Abonnementspreis: Für die Schweiz jährlich Fr. 5.— halbjährlich Fr. 2.50, Post-Abonnement- 10 Cts. Zuschlag. . Jnsertwnspreis: Für Obwalden die einspaltige Petitzeil« 8 Cts., für auswärtige 10 Cts. Wieder- holungen Rabart. Inserate nehmen für uns alle Annoncen- Expeditionen entgegen. • Gratis-Beilage: „Illustriertes S onntagsblatt LZ Druck und Expedition: Louis Ehrli, Sarneiu — Telephon. 1 gkttvneni 4. 1911 *** Vierzig Jahre seines Bestehens hat der „Obwaldner Volks- freund" hinter sich. Er beginnt mit der heutigen Nummer seinen einundvierzigsten Jahrgang. Vierzig Jahre berechtigen zu keiner Jubelseier. Aber der Abschluß ei- nes Dezenniums und der Beginn eines neuen bildet in der Geschichte eines Zeitungsblattes doch einen Mark- stein. Für unser Blatt liegt umso mehr Grund vor, heute einen Blick rückwärts und einen Blick vorwärts zu tun, weil es sich seinem Leserkreis zum erstenmal in einem neuen Gewände vorstellt. Die Redaktion hat den Schrei- ber dieser Zeilen ersucht, dem verehrlichen Publikum einen solchen Rückblick und Ausblick zu bieten. Es ge- schah dies wohl aus dem Grunde, weil wir zu den we- nigen Ueberlebenden zählen, welche schon an der Wiege des Blattes gestanden haben und seither stetssort als Mitarbeiter und zeitweilig auch als Redaktor für das- selbe tätig ' gewesen sind. Der „Obwaldner Volksfreund" erblickte das Licht der Welt zu Weihnachten 1870. Es war damals eine be- wegte Zeit. Der deutsch-franzöfifche Krieg ging seinem Ende entgegen. Die europäische Politik wurde auf neue Grundlagen gestellt. Der maßgebende Einfluß auf die Gestaltung der politischen Geschicke Europas ging von Frankreich auf Deutschland über. Noch zitterte die ge- waltige Erregung der Geister nach, welche das vatikanische Konzil hervorgerufen hatte und von der sich die jüngere Ge- neration der jetzt Lebenden gar keinen richtigen und voll- ständigen Begriff mehr machen kann. Die Gemüter der Katholiken waren auf das Schwerste beunruhigt, weil der Papst seines weltlichen Besitztums völlig entkleidetwor- den war durch Einverleibung des letzten Restes des Kirchen- staates mit der Stadt Rom in das Königreich Italien. Für die Unabhängigkeit des heiligen Stuhles waren keine ausreichenden Garantien geschaffen und man wußte nicht einmal bestimmt, ob der greise Pius IX. in Rom ver- bleiben oder anderswo ein Asyl suchen werde. Wie die Verhältnisse in Deutschland und in Frankreich sich ge- stalten werden, das war damals noch ein völliges Rätsel. Wie ein fernes Wetterleuchten erschienen am Horizont die Vorboten des nahenden Kulturkampfes. Sie zeigten den Katholiken, daß sie sich auf stürmische Tage gefaßt machen müssen. Diese ließen denn auch nicht lange auf sich warten, Man sah damals den Zeitungsnachrichten mit einer noch größeren Spannung entgegen, als dies jetzt der Fall ist. , In unserem schweizerischen Vaterlande stund die Bun- desrevifion auf der Tagesordnung obenan. Daß die Bundesverfassung von 1848 einer gründlichen Umgestaltung im Sinne einer verstärkten Zentralisation unterworfen werden solle, das war allbereits eine beschlossene Sache. Nur über das Maß dieser vermehrten Zentralgewalt gingen die Ansichten noch weit auseinander. Die einen woll- ten in der Ausdehnung der Bundesgewalt nur soweit gehen, als die veränderten Zeitverhältnisse es als not- wendig erscheinen ließen. Sie wollten die Verfafsungs- «Vision auf einzelne Punkte und auf ein bescheidenes Maß beschränkt und vor allem aus den förderativen Cha- rakter unseres eidgenössischen Staatswesens bewahrt wissen Tue andern wollten an Stelle des Bundesstaates den Einheitsstaat setzen und träumten von Zuständen, welche denjenigen der Hevetik sehr ähnlich gewesen wären. Zwi- schen hinein bewegten sich verschiedene Gruppen, welche der einen oder der andern der hier gezeichneten Richt- uugen mehr oder weniger zuneigten. Schon vollzog sich jene Ausscheidung nach Parteien, die dann während meh- rerer Jahre die eidgenössische Politik beherrschte und unser Volk in die beiden großen politischen Heerlager der Föderalisten und der Zentralisten trennte. In unserm Kanton hatte sich kurz vor der Gründung dieses Blattes die Revision der Verfassung und eine dadurch bedingte, ziemlich tief greifende Umgestaltung der öffentlichen Zu- stände, sowie die Neubestellung aller Kantons- und Ge- meindebehörden vollzogen. Wichtige Fragen, die sich hauptsächlich aus dem Gebiete der Gesetzgebung und aus demjenigen der Volkswirtschaft bewegten, harrten ihrer Lösung. Der unmittelbare Anstoß zur Gründung des „Obwaldner Volksfreund" wurde dadurch gegeben, daß die „Obwaldner Zeitung" zur Zeit des vatikanischen Kon- zrls eine Haltung eingenommen hatte, welche der Ge- sinnung der Mehrheit des Obwaldnervolkes nicht entsprach. Auch in politischer Beziehung fand die von ihr einge- schlagene Richtung nicht die allseitige Zustimmung. So erschien denn am Vorabend von Weihnachten 1870 die Probenummer des „Obwaldner Volksfreund". Der erste Leitartikel, welcher die Aufschrift trug: „Unser Pro- gramm" bezeichnete als den Zweck des Blattes „die Idee der Verschmelzung politischer und materieller, wirtschaft- licher Fragen in einem und demselben Organ". Dann fährt er fort: „Der „Obwaldner Volksfreund", so heißt sein bescheidener Name, soll diese allerdings etwas schwere Aufgabe lösen, uns in dieser ereignisreichen Zeit, wo nicht bloß die Gestaltung Europas einem gänzlichen Um- schwung aller Verhältnisse entgegengeht, wo es sich im weitern Vaterlande um tief eingreifende Veränderungen am Grundgesetze der Nation handelt und im eigenen Heimatlande selbst wichtige materielle Fragen immer ernster auf ihre Lösung drängen — in dieser ernsten Zeit soll er frei und offen berichten über die wichtigen Vorfallenheiten im In- und Auslande, zugleich den Leser anregen und belehren für die besonderen Kulturinteressen der engeren Heimat, dem wahren Fortschritt auf jedem Gebiet ein kräftig Fürwort leihend. Die Tendenz des „Volksfreundes" wird der katholisch-vaterländischen Ge- sinnung des Obwaldnervolkes entsprechen, da er in Geist und Fassung für Väterglaube und Vätersitte — als das Unterpfand des Volkswohles — mit Ueberzeugungstreue einsteht; bei Hochhaltung geschichtlicher Ehre und Lehre das Gute und Nützliche, was der Lauf der Neuzeit dem Vaterlande gebracht, mit Freuden anerkennt und nicht minder der Pflege eines gesunden Kantonallebens wie treuer Erfüllung der Bundespflichten seine angelegent- liche Sorge widmet, dabei aber in loyalem Anschluß an das Bundesrecht und dessen natugremäße Entwicklung — von freiheitlich alt-demokratischem Boden aus — schroffen Einheitsbestrebungen als dem Tod der Urschweiz und; der Gefährde vaterländischen Geistes und Rechtes kräftig ent- gegentritt. Sein Pannier, unter dem er kämpft, ist „Fort- schritt mit der Zeit, Stillstand mit der Wahrheit". Der „Volksfreund" wird" — so fährt der Programmartikel weiter fort — „in Betonung des Vollwertes christlichen Wesens für Staat, Schule und Gesellschaft die katho- lischen Interessen des Volkes der Urschweiz zunächst treu wahren, hinwieder aber wird er, auf gemeinvaterläudi- fchem Boden stehend, die Eidgenossen anderen Glaubens nie in ihrer Ueberzeugung kränken; demnach wird er ste,,,* fort sein ein Freund des Friedens, wohl wissend, daß die Schweiz ein paritätisches Land ist und daselbst Konfessionen und politische Parteien bunt durcheinander gewürfelt sind. Gegenseitige Duldung wird er somit zu beachten trach-- ten, und findet er hie und da Stoff zu Tadel, so soll sein tadelnd Wort nie der Person, sondern der Sache gelten." Nachdem sodann die Bedeutung der Land- und Alp- wirtschaft für Obwalden hervorgehoben und die Befprech- uug diesfälliger Fragen und Vorkommnisse ebenfalls in Aussicht gestellt worden, schließt der „Volksfreund" seinen ersten Artikel mit den folgenden Sätzen: „Und nun — die Segel gespannt und den Kompaß gerichtet! Hinein ins ungewohnte Fahrwasser — dabei die Fahrtenzeichen beachtet und nur mit Vorsicht und nicht im Sturmes- seuer vorbei an den vielseitig gefährlichen Klip- pen. Führe den Leser bald hin an die ruhigen Ufer friedlichen Stillebens, bald aufs hohe Meer sturmbewegter Fluten, bald ein in die mächtigen Strömungen des Fort- schrittes und der Freiheitsbestrebungen der Völker. Achte auf den leitenden Stern, der vom Himmel glänzt und' sicher durch die Stürme des Lebens führt; beachte den Kompaß der Wahrheit, welche nie von der rechten Richt- ung abgleitet, und befrachte dich nur mit Gutem und Nützlichem, auf daß du bei Jedermann Vertrauen er- weckest und d asselbe auch lohnest. Möge deine Fahrt eine glückliche sein!' Gott befohlen!" So hat vor kingen vierzig Jahren der „Obwaldner Volksfreund" bei seinen Lesern sich eingeführt. Das ist das Programm, das er an die Spitze des ersten Blattes seines ersten Jahrganges gestellt hat. Kein halbes Jahr war über die Existenz des Blattes hinweg gegangen, als sein erster Redaktor, der Mann, der den angeführten Artikel geschrieben hat, schon im Grabe lag. Wie un- endlich Vieles ist seither anders geworden in Heimat und Vaterland und weit über deren Grenzen hinaus auf dem großen Markt der Welt unter den Völkern und Staaten des Erdkreises. Aber auch heute noch wüßten wir dem Blatte keinen besseren Geleitsbrief mitzugeben, als den- jenigen, den ihm sein erster Redaktor geschrieben und auf den Weg in die Welt hinaus mitgegeben hat. Die Zeiten waren damals nicht weniger ernst und bewegt, als heute. Kaum hatte der „Obwaldner Volksfreund" seine Fahne entfaltet, so hatte er sich im engeren und weiteren Vater-, lande lebhafter Sympathien zu erfreuen, ein Stab tüch- tiger Mitarbeiter und ein ausgedehnter Leserkreis hat sich unter seine Fahne geschart. Mit Mut und Zuver-- ficht entrollt er diese Fahne auch im einundpierzigsten Jahre seines Lebens. Jeuill'eton. Die 8<k»weizer^amikie und andere Familien- gefcklickten. Plauderei von Johannes. Die Zeit der Theaterberichte hat begonnen. Ein leicht begreiflicher Aerger ergreift bereits edeldenkende Seelen, daß an der Stelle, wo sonst politische Streitereien stehen, nun Theaterrezensionen untergebracht werden. Ist es nicht Heine, der schreibt, daß das deutsche Volk, als ihm das Politisieren untersagt wurde, zum Theaterrezen- senten geworden sei? Und in der Tat, ich verstehe, daß viele Menschen diese Lobsprüche nicht lesen mögen, und wenn auch mit der Lektüre dieser Artikel jeweilen ein Ablaß von 100 Tagen verbunden wäre. Ja, in Obwalden gibt es sogar höhere Gerichtsorgane, die, wenn ihnen Zensurgesetze zur Verfügung ständen, jede Zeitung kon- ftszieren würden, welche es. wagt, einen Theateraussatz zu bringen. Ich bitte aber zu bedenken, der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Die Theatergesellschaften in Obwalden, mö- gen sie sich wie immer nennen, haben es gar nicht im Sinn, ein solches Geschäft zu machen, daß sie mit Steuer- kommissionen in Konflikt geraten. Sie wollen sich eine Unterhaltung und ihren Gönnern eine Freude,' einen Ge- nuß bereiten. Schon das ist der Anerkennung wert und verdient, im Lokalblatt erwähnt zu werden. Auch bildet sich keiner von diesen Dilletanten ein, ein Kainz, ein Possart, eine Triersch zu sein oder gar eine Sarah Bernard. Doch verlangen sie mit Recht, daß ihre Mühen, ihre Arbeiten und Anstrengungen da, wo sie ihr bestes Selbst einsetzen, nicht verkannt, nicht schlecht beurteilt werden. Aber die Fehler? Die Unebenheiten? Die mangelnde Fähigkeit? Ach was! Gestrenger Kritiker, ich könnte dir Geschichten erzählen, wie schauspielerische Berümtheiteu herzlich schlecht gemimt haben, und die Zeitungen lobten das Spiel. Warum? Weil sie es mußten. Am Silvesterabend wohnte ich der „Schweizerfamilie" bei, die von der „Harmonie" gegeben wurde, und ich habe, in dem ich überdas Stück und dessen Wiedergabe Eindrücke niederschreibe, wirklich nicht im Sinn, das hoch» verehrte Publikum anzulügen, oder aus gewissen Rück- sichten dem mitwirkenden Personal zu schmeicheln. Das ist einmal eine wirkliche Oper. Der Text, von dem bekannten Castelli nach einem französischen Stoffe bearbeitet, mutet den Zuhörer sympathisch an. Da wird mit keinen Kanonen geschossen. Kein Mensch wird ge- mordet. Und dennoch gibt es viel Seelenweh, tiefes Weh voller Poesie, rechte schweizerische Sehnsucht, edle Men- schen, die d es Schweizers Eigenart, seine Liebe zu den Ber- gen voll verstehen und ein liebendes Paar zum schönge- stimmten Ende führen. Der Aelpler findet seine Aelp- lerin und wenn sie irgendwo draußen in Deutschland verborgen wohnt. Auch über die Komposition will ich was sagen, ob- gleich ich hier wirklich keine Kompetenz beanspruchen darf. Schon der Klaus Nazi fel., an den ich mir immer ein gutes Andenken bewahre, hatte beim Gesang in der Pri- marschnle an mir keine wahre Freude. Ich erinnere mich ganz gut, wie ich ihm die schönsten Lieder verdarb und weiß heute noch nicht, ob es am Gehör oder an der Stimme oder an sonst was fehlte. Zum Chorknaben konnte er mich schon gar nicht brauchen, trotzdem in mir ein glühender Ehrgeiz brannte, das „Requiem aeternam dona eis, Domine", von der Orgel herunter zu schmettern. Ich habe unterdessen viel gehört von Tonarten in äur und woll, von Melodischem und Harmonischem, von Kon- trapunkt, von chromatischer Tonleiter und dergleichen, weiß aber nicht, wo diese Dinge hinsetzen. Musikalische Gründe