DAMALS sentipost nr. 4/15– 6 – Der Bebauer der Sentimatte Meier, Meyer oder Mayer gehören zu den häufigsten Nachnamen in der Deutsch - schweiz. Noch verbreiteter ist höchstens Müller. Eine Müllerstrasse gibt es in Lu - zern nicht. Eine Meyerstrasse hingegen schon – sie liegt mitten auf dem Ge biet der ehemaligen Sentimatte. Nach wem die Meyerstrasse ihren Namen erhalten hat, ist l eider nicht überliefert. Zwar sind die Protokolle vom 8. April 1897 noch vor- handen, es fehlt aber ein V ermer k, auf wen die Strasse Bezug nimmt. Auch den Zei - tungen war die Benennung der Strassen in der Sentimatte keine Zeile wert. In die engere Wahl, welchem Meyer die Stadt eine Strasse wi dmete, kommen zwei Per - sonen: zum einen der ‹Vater aller Unter - gründler› (siehe Sentipost Nr. 3/2015) Johann Baptist Meyer (1851–1926), zum anderen der Baumeister Xaver Meyer ( 1821–1878) . Xaver Meyer wird in Schötz geboren und geht in Willisau zur Schule. Nach einigen Lehr- und Wanderjahren eröffnet er als ‹Baumeister› 1843 sein erstes Geschäft im Untergrundquartier. Es lag gleich hinter dem damaligen Zuchthaus (heute: Wohn - siedlung Sentihof ), wo nun seit Jahr zehn - ten die Autobahn das Quartier durch - schneidet. Sein Geschäft in der ‹Senti - matt 598› wuchs stetig. Auch weil zu je - ner Zeit ganze Quartiere ‹aus dem Bo den gestampft› wurden. Er muss Hun der te von Arbeitern beschäftigt haben, galt aber – anders als ‹Badi› Meyer – nicht als besonders sozialer Arbeitgeber. Während Xaver Meyer zu Beginn vor allem Wohn - raum erstellte, erhielt er mit den Jahren auch prestigeträchtigere Aufträge. So baute er z.B. 1858 das Krienbach-Schul - haus. Ein Jahr Stadtrat Auch gesellschaftlich stieg Xaver Meyer schnell auf. Er trat der Liberalen Partei bei, die seit der Niederlage der Konser - vativen im Sonderbundskrieg (1848) im Alleingang die Luzerner Regierung stell- te. 1857 wurde er als Stadtrat gewählt. Doch dort blieb er nur ein Jahr, dann gab er bereits seinen Rücktritt. Er erhielt 1858 von der Basler Centralbahn zusammen mit Baumeister Jakob Portmann den Auf trag, den ersten Bahnhof Luzerns (1859–1895) zu bauen. Dieser Auftrag ka - tapultierte Meyer in die oberste Liga der Zentralschweizer Baumeister. Er baute sich ein grösseres Geschäft an der heutigen Dammstrasse und begann damit, die ihm gehörende Sentimatte zu be bauen: ein Holzschuppen und eine Scheu ne, mehrere Doppelwohnhäuser und eine Malerwerkstätte. 1863 erteilte Meyer Christoph Egli die Erlaubnis, von ‹St. Karl› her eine Fähre über die Reuss zu errichten – einzig das Rest. ‹Reussfähre› erinnert noch an den Ort, wo einst Egli anlandete. Dem Untergrund blieb Xaver Meyer treu. So ist in den ‹Immerwäh renden Ge sch äfts- und Adresskalendern› der Jahre 1869 und 1877 der Baumeister in der Sentimatt 598h notiert. Der Untergrund war in der zwei- ten Hä lfte des 19. Jahrhunderts von kras- sen Gegensätzen durchzogen. Während Meyer in einem herrschaftlichen Doppel - wohnhaus leb te, hauste der Grossteil der Arbeiterfamilien in bitterer Armut. Sani - täre Anlagen fehlten, Mängel in Wohn- und Industriehygiene sorgten für die Verbreitung von Krankheiten. Nicht nur Xaver Meyers Arbeiter, auch seine Roh - stoffe kamen z.T. aus dem Untergrund. So ist im Stadtarchiv die Bestellung von Stei nen beim ‹Steinbruch Gütsch› aus dem Jahr 1859 erhalten geblieben. Arbei - ter und Materialien kamen in der ganzen Zentralschweiz zum Einsatz. So wurde Meyer die bauhandwerkliche Errichtung des Winkelried-Denkmals (1865 ) in Stans ebenso anvertraut wie die Errichtung der Villa Meggenhorn oder der Saal des Hotels Schweizerhof. ‹Gemässigter› Kirchenpolitiker Trotz Rücktritt aus dem Stadtrat 1858 blieb Meyer in der Politik. So wurde er 1860 in den zeitlich weniger intensiven Grossstadtrat gewählt, dem er bis zu sei- nem Tod 1878 angehörte. 1874 wurde Xaver Meyer zudem in den ersten Kirchenrat der Stadt Luzern gewählt. Auch dies er be - stand nur aus freisinnigen Kandidaten. Sie hatten sich bei der Volkswahl in der Jesuitenkirche gegen die Konservativen durchgesetzt. Meyer stand als einziger Kandidat sowohl auf der konservativen als auch auf der liberalen Liste und er - hielt mit 1927 Stimmen klar am meisten Zu spruch. Der liberale Kirchenrat hatte ei ne christkatholische Ausrichtung und stellte sich im damals tobenden ‹Kultur - kampf› klar gegen die römische Kirche und den amtierenden Bischof von Basel. Da diese Ansichten aber in Luzern nicht mehrheitsfähig waren, musste der Kirchen rat 1878 geschlossen zurücktre- ten. Zwar stellte sich Xaver Meyer erneut zur Wahl und wurde auch wieder ge - wählt, er verstarb aber, noch bevor er er neut sein Amt als Kirchenrat antreten konnte. Ob die Meyerstrasse wirklich nach dem Baumeister benannt wu rde, ist weiterhin nicht gesichert. Er war es aber, der dem Gebiet der Sentimatte sein neuzeitliches Gesicht gab. Aus einer idyllischen Wiese an der Reuss wurde während weniger Jahr zehnte ein für die Region wichtiger Industriestandort. Vor allem in den Jah - ren nach Xaver Meyers Tod, als dessen Erben das Land verkauften. Anfang der 1880er-Jahre siedelten sich in der Senti - matte unter anderem der Orgelbau mei - ster Goll und die Kollektivgesellschaft Schindler & Villiger (heute: Schindler Aufzüge in Ebikon) an. Der andere Meyer Von Micha el Weber , UntergRundgänger Blick auf die Sentimatte im Jahr 1840; Quelle: St adtarc hiv Luzern