Die Vorstandsmitglieder Toni Arnold (l.) und Patrick West bei einem Infostand auf dem Schwanenplatz (Foto: Urs Häner) 20 Jahre Luzerner Tauschnetz von Urs Häner, Gründungsmitglied und Animator im Trägerverein Luzerner Tauschnetz Im Anfang war der Tausch. Deine Kar tof - feln oder Äpfel gegen meinen Hammer oder meine Handschuhe. Dann kam das Geld, es wuchs die Hoffnung, dass es ein- facher wird. Mit dem Zwischenglied einer Währung meinten alle, freier zu sein bei der Zirkulation von Waren und Dienst - leis tungen. Denn so konnte ich meinen Hammer verkaufen, ohne gleich die im - mer gleichen Kartoffeln eintauschen zu müssen. Das Geld war willkommen als ‹neutrale› Vergleichsgrösse für den Äqui - valententausch. Aber es wurde im Gegen - teil komplizierter, weil das Geld mitnich- ten neutral war: Es konnte angehäuft wer- den, es wurde selber zur Ware, bald lock- ten Zinsen und es entstanden Schulden - fallen. Und heute ist das Geldsystem ex - trem zerklüftet und schief, mit immen- sen Anhäufungen auf der einen Seite und grossen Abhängigkeiten auf der anderen. Gründungsphase In dieser Situation und angesichts mar- kant zunehmender Erwerbslosigkeit auch in der Schweiz entstand in Luzern Ende der 1990er-Jahre eine gemeinsame Suche nach Alternativen. Eine Zukunftswerk - statt im März 1998 gilt als Keimzelle des Luzerner Tauschnetzes. Mehrere Veran - stal tungen folgten, ‹Neue Drinnen schaf- fen› war die Devise: Wenn der Arbeits - markt die einen einfach ausspuckt, ihr Können und ihren Kompetenzen für über- flüssig erklärt, dann braucht es neue Kreisläufe und Gegenkräfte. Und wenn der Kapitalismus ermöglicht, dass die einen exorbitant viel verdienen, während andere nicht mal das Nötigste haben, braucht es ein neues Mass für den Ver - gleich verschiedener Tätigkeiten. In der Folge bildete sich eine Spurgruppe, die sich Unterstützung holte bei anderen Tauschorganisationen, und bald war das Motto ‹Zeit statt Geld› geboren. Grund - idee war es, ein Gefäss zu schaffen, um den Tausch von Dienstleistungen auf der Basis der Masseinheit Zeit zu ermög - lichen. ‹Jede*r gibt und jede*r nimmt› sowie ‹Eine Stunde ist eine Stunde› gel- ten seither als Grundregeln im Luzerner Tausch netz. 1999 wurde eine Pilotphase gestartet, die erarbeiteten Strukturen wur den getestet, verbessert, verfeinert. Die Erfahrungen waren vielversprechend und die Rückmeldungen rege, die Mit - gliederzahl wuchs und damit auch das Bedürfnis nach stabilen Strukturen. Die Beteiligten kamen zum Schluss, dass eine Vereinsstruktur ihren Anliegen am bes - ten Rechnung trägt. Und so kam es am 3. Mai 2001 zur Gründungsversammlung des ‹Trägerverein Luzerner Tauschnetz›. Der Zauber des Anfangs und die Mühen der Ebene Das Luzerner Tauschnetz wuchs rasch. Es strahlte Innovation aus, beflügelte grosse Träume und hatte doch etwas bestechend Einfaches. Bei einer öffentlichen Veran - staltung zum Thema ‹Arbeitszeit-Tausch - zeit-Lebenszeit› sagte der Zürcher Sozial - ethiker Hans Ruh damals, in seinen Au - gen sei das Luzerner Tauschnetz «eine wichtige Gegenströmung zur herrschen- den Monetarisierung der Zeit». Ein Jahr nach der Gründung stiess das 100. Mitglied zum Luzerner Tauschnetz, in der sogenannten Marktzeitung fanden sich fast 200 Angebote. Und 2003 ver- lieh die Stif tung ‹Luzern –Lebensraum für die Zu kunft» ihren Lebensraum-Preis dem Luz er ner Tauschnetz. Auch das Schweizer Fernsehen interessierte sich für dieses innovative Projekt, wodurch weitere Tausch freudige darauf aufmerk- sam wurden. Seither ist viel Wasser die Reuss hinab ge - flossen. Nach der fast euphorischen An - fangszeit kam eine Konsolidisie rungs - phase, die Strukturen mussten immer wieder angepasst werden, es kam auch zu Krisen und Konflikten wegen unter - schied lichen Vorstellungen. Aber immer wieder gelang es, den Tauschgedanken neuen Verhältnissen anzupassen. So wur - de beispielsweise 2008 umgestellt von der analogen Quittierung der Tausch hand - lungen auf Kartonkärtchen zu einer digi- talen Plattform – seither können alle auf ‹Cyclos› ihre Stundentransaktionen ei gen - ständigabwickeln und verwalten. Dauer thema ist die Aktivierung der Mit - glieder. Weil es nicht reicht, einfach ein Zeitkonto einzurichten und dann mal ab - zuwarten, haben sich schon mehrere Vor - standsequipen damit abgemüht, die Zir - ku lation der Stunden im Tauschnetz in Gang zu halten, die Kontakt mög lich kei - ten zwischen den Mitgliedern zu verbes- sern und zur aktiven Mitwirkung aller beizutragen. Jubiläum und neue Ideen Nun wird das Luzerner Tauschnetz also 20-jährig. Das soll am Samstag, 18. Sep - tember 2021, ab 16 Uhr im Sentisaal ge - feiert werden. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Ausserdem wurde in Co rona-Zeiten, aber auch als Beitrag für das Jubi-Jahr, neben dem monatlichen Tausch netz-Treff (jeweils am ersten Diens tag von 17–19 Uhr) ein sog. DigiTreff installiert – für den Austausch von Bild - schirm zu Bildschirm. Die Hoffnung ist, dass im Luzerner Tauschnetz noch man- che Innovation die Grundidee beflügelt und die Lebendigkeit von Geben und Neh men bestärkt. DAMALSsentipost nr. 3/21– 2 – Das Motto «Zeit statt Geld» bleibt lebendig Mehr Infos zum Luzerner Tauschnetz: null