RÜCKBLICKsentipost nr. 3/21– 3 – In die Welt hinaus und zurück von Urs Häner Der jüngste Kunstspaziergang im Quar - tier führte mich zur Galerie APROPOS. Seit 50 Jahren hatte dort Ruedi Schill einen kleinen feinen Kunstort gehütet. Weil Ruedi vor einem Jahr verstorben ist, hat seine Partnerin Monika Günther an diesem Ort eine anschauliche, immer wie - derwechselnde Hommage für sein reich- haltiges Schaffen gestaltet. «Weisst du», sagt sie mir, «die Kunstform der Per for - mance, die mich mit Ruedi zusammen- brachte, hat etwas Flüchtiges. Und das will ich in dieser Ausstellung zwischen seinem Todestag und seinem Ge burts tag aufscheinen lassen.» Fast jede Woche wech selten also die Exponate und traten in vielfältiger Weise ins Gespräch mitein- ander und mit den Betrachtenden. Angefangen hatte Ruedi Schill mit sol- cher ‹Kleinkunst› noch im technischen Büro der Druckerei Schill & Cie., wo er in der Leitungscrew war. Zu den ersten Aus - stellenden gehörten Ernst Buchwalder und Leo Walz, beides bekannte Namen im Quartier. Die Resonanz in der Presse war gut, bald liess Ruedi die Garagen um- bauen, denn «Autos brauchen keine Hei - zung». Und so wurde in grosser Treue und Sorgfalt seit 1973 die jetzige Klein - galerie bespielt. Ruedi Schill experimentierte mit ganz ver schiedenen Formen der Kunst: Mail- Art, Stamp- Art, Audio-Art, T-Shirt-Art, Land- Art. Die Projekte brachten ihn mit Kunstschaffenden aus aller Welt zusam- men, man schickte sich Kunstwerke hin und zurück, Ruedi wurde eingeladen und lud ein. Und aus den Land-Art-Projek- ten erwuchs dann seine Affinität für die Kunst form Performance. 1979 kam es im Kunstmuseum Luzern zu seinem ersten Auftritt («Die geheimen Wünsche des Jünglings von Marathon»), weitere folg- ten, bald in aller Welt. So wurde er bei- spielweise auch nach Havanna eingeladen – in der Gedenkausstellung stand einige Zeit eine Holzkiste (für die Utensilien) mit der Aufschrift «artistas europeos en Cuba». Schon länger waren der Performer Ruedi Schill und Monika Günther, die damals im Ruhrgebiet lebte und quasi die einzige Performerin dort war, aufeinander auf- merksam geworden. Sehr dezent sei die Kontaktaufnahme damals erfolgt, schil- derte Monika die Anfangszeit: Er habe sich offenbar ihre Adresse geben lassen, und nach Monaten sei dann eine erste Karte gekommen …wobei die Zeilen dann so wirkten, als seien sie sich längst ver- traut. 1995 gestalteten sie ihre erste ge - meinsame Performance, später gründe- ten sie gemeinsam das Giswiler Perfor - man ce-Festival und führten es zwölfmal durch. Beide wurden dann auch Dozie - ren de an der Hochschule Gestal tung und Kunst (heute HSLU Design & Kunst). In den 1990er-Jahren kam es für Ruedi undfür die Galerie APROPOSzu einer doppelten Zäsur: Einerseits sollte nach einem Handwechsel der Druckerei das Ge - bäudeabgerissen werden, und anderer- seits verlor Ruedi als bald Sechzig jähriger noch seine Anstellung im grafischen Ge - werbe. Monika Günther erzählt, dass sie – als Fanal ge gen den drohenden Abriss – die Glasfront der Galerie zusammen mit Leo Walz mit Backsteinen zu mauerte. «Alsdann dank neuen Plänen des neuen Käu fers doch eine Fortführung möglich wurde», fügt Monika lachend bei, «muss - ten wir als Erstes diese Mauer wieder weg- spitzen.» Eine Performance wie ausdem Leben gegriffen … In den letzten Jahren wurden den beiden die Performances zu viel, zumal sich auch der Gesundheitszustand von Ruedi ver- schlechterte. Aber viele schildern, dass es mit den interessanten und anregenden Tischgesprächen immer weiterging, die Woh nung sei stets eine Art Labor mit Asso ziationen zu x Gegenständen und y Zetteln an den Wänden gewesen. Ruedi war ein Meister der präzisen Beobach - tung und der Schaffung von Relationen zwischen scheinbar Zusammen hang lo - sem. Und bei APROPOSgab es weiterhin vier Ausstellungen pro Jahr (weil die bei- den jetzt ganzjährig da waren und nicht immer auf Tournee in der Welt, wurde das sogar einfacher). Monika will dieses Erbe weiterführen, der nächste Künstler wird Claude Sandoz sein, und für 2022 hat sie bereits vier Zusagen. Am 31. Juli jährte sich der Todestag von Ruedi Schill (am 18. Juni wäre er 80 ge - wor den). Und so schloss sich ein doppel- ter Kreis, als zu diesem Datum Monika Günther neben einer eigenen Performan - ce vor der Galerie APROPOSfrühe Texte von ihm aus den 1970ern vortrug, um den geliebten Partner nochmals in lebendige Erinnerung zu bringen. Claude Sandoz ‹Turquoise Dream› Usbekistan 2011 Installation 27. August bis 25. September 2021 APROPOS Sentimattstrasse 6, 6003 Luzern Do 17–19 Uhr | Fr/Sa 16–18 Uhr Oben: APROPOS,Juli 2021; Foto: Rob Nienburg Rechts: Ruedi Schill 1994 in der Galerie am Staudenhof Potsdam; Foto: Monika Günther 50 Jahre Galerie APROPOSund 80 Jahre Ruedi Schill (Kunst im BaBeL-Quartier IV)