v°2 AAMOEZITIG IF i Auflage: 1500 Wird in der Stadt Luzern und Agglomeration verkauft a März 1997 Preis: Fr. 2.- Sie halten die LOZÄRNER GASSEZITIG, kurz die GAZ in den Händen. Ein neues Blatt in der Luzerne: Medienlandschaft? Nicht ganz, handelt es sich doch bereits um die zweite Nummer. Die erste Nummer entstand vor einigen Monaten. Es war dies mehı ein Insiderblatt mit kleiner Auflage Die Initiative zu dieser zweiter Nummer kam von jenen Personen, welche diese zweite GAZ nun auch ver- fasst haben und herausgeben. Eine Gruppe von Menschen, für welche die Gasse Ort der eigenen Kultur war oder ist. Merkt man seit der Repression von der Gasse als Treffpunkt von Men- schen nicht mehr viel, so will sich die Gruppe der Schreibenden zurückmel- den. Verschiedene Personen haben Texte geschrieben, ein Gedicht ver- fasst, Personen befragt, die beruflich oder sonst mit der Gasse zu tun haben. Bilder wurden gemalt und Photos ge- knipst. Thema dieser Ausgabe ist die veränderte Situation auf der Gasse und die Erfahrungen mit den Substitutions- programmen. Es erwarten Sie ferner ein Bericht von der Gassenchuchi, das Sammelsurium, sowie ein Text zum Pla- neten Erde. Ziel ist Information, in Aus- tausch mit der Bevölkerung zu treten. GAZ - im Titellogo als Auge gestal- tet: Die GAZ ist aus dem Blickwinkel von der Gasse her verfasst, teilt Erfahrungen mit. Ins Auge ist ein A geschrieben. Das A besteht aus zwei Menschen, die sich die Hand reichen. Dies ist das Programm der GAZ. Die Zeitung möchte in Zukunft ein Forum rund um die zur Zeit verdeckte Gassenkultur sein. Zwei Menschen reichen sich im A die Hand. Der geneigte Leser erkennt darin auch a-narchische Visionen wieder. Auf jeden Fall nimmt die LOZARNER GAS- SEZITIG mit dieser Nummer einen Neuen A-nfang. Paul Weber Eoto Monika Häussi Sa die gasse früher ort der visionen heute ort der flucht ört der heimatlosigkeit ort der einsamkeit menschen sterben weil sie ihre sucht im dunkeln leben müssen und dennoch: visionen ein:mann trägt immer das foto seiner tochter auf sich eine frau hängt in der notschlafstelle über ihrem. bett’ein bild auf zwei menschen kaufen sich mit dem Wochengeld des. sozialamtes einen freundschaftsrinig‘ »aul wabhear Herausgeber: Piitsch Galbier; Maya Fries; Franco Alcione alias Frappe; Kiwi; Michi Auer; Nelly Meyer; Paul Weber; Yolanda Übelhard Postfach: 3003; 6002 Luzern Der eventuell tödliche Irrtum Wir haben viel erreicht, wirklich Darauf dürfen wir uns etwas einbilden. atsächlich! Seit mehr als 20 Jahren ‚ichreien wir nach einer Legalisierung ‚on Gras und Hasch. Es ist sogar schor ;‚;oweit, dass man Öffentlich über Dro Jen spricht, ohne Angst zu haben, vorr Yachbarn denunziert zu werden! jlücklicherweise wird ein Süchtigeı jeute von einem immer grösseıl verdenden Teil der Bevölkerung sogaı ichon als kranker MENSCH akzeptierl ınd nicht mehr für jedes ungeklärte ‘leinverbrechen vorverurteilt. Es gib! ‚ogar Methadon- und Heroinprogram ne. Bloss werden von diesen Program- nen allerhöchstens ein Drittel deı jüchtigen erfasst. Wo bleibt der Rest: Vas ist mit den Jugendlichen, die nock mmer gepiesackt werden, wenn sie sich ein Piece reinziehen? Was ist mi lien Eltern, die plötzlich erfahren müs ;en, dass ihre Kinder nun Kriminelle ind? Heroin und Methadonprogramme sollten für alle Süchtigen erreichbaı jein! Natürlich kann man diese nock in paar Jahre als Kleinversuche wei erführen, die Eltern der Junkies (KIN J)ER), die in dieser Zeit sterben, werden :s uns zu danken wissen, eb- srer "reunde, Bekannte und kies nit den gleichen Vorausse: .gen. Vir sollten uns aber auch darüber im {(laren sein, dass eine Heroinabgabe ıur eine Symptombekämpfi‘ st, ‘oll heissen, zeitlich begren: ‘€ ıächsten zehn bis fünfzehn Ji „dl. Doch schon jetzt sollten wir u. . .amit )efassen, wie wir es soweit bringen, lass die nächsten Generationen keine Drogen mehr brauchen, um ihr Leben u ertragen. Die Frage ist, wie machen wir das? Vielleicht schaffen wir es mit stwas weniger Erwartungsdruck, viel- leicht auch mit mehr Menschlichkeit Würde, oder sogar mit mehr Liebe: In Luzern leben ca. 1 200 Heroinab hängige, davon 400 im Methadonpro gramm und 50 Personen in Heroinver- schreibung. Als ich kürzlich mit einigen Pastoral- assistenten nach einer Weiter- bildungstagung von der Hofkirche her durch die Stadt Luzern ging, mil dem Ziel, ihnen die Gasse zu zeigen, wurde ich auf dem linken Fuss kalt erwischt. Neun Monate, nachdem ich mich von der Gasse zurückgezogen, mich im Ausland und später nur ıoch in der Wohnung aufgehalten hat- :je, gab es keine Gasse mehr, keinen Strassendeal mehr. Zumindest war er an den mir bekannnten Plätzen nicht nehr sichtbar. So konnte ich also die- sen angehenden Pfarrern, Priestern ind was sie sonst noch so alles werden wollen. eine saubere Stadt vorzeigen! — T zZ 4 ‚ze > 71 T an A r“ "A # ZZ Bild Maya Fries zei vergiftetes Heroin in Luzern m Umlauf. Damals konnte man sofort ‚eagieren, das Heroin wurde gratis ge- testet, die Leute auf der Gasse infor- mierten sich gegenseitig, es gab keinen Schaden an Leben zu beklagen. So abwegig ist der Gedanke nicht, dass verunreinigter Stoff in Umlauf <ommen könnte. Man beachte die nomentane Preissituation. Für Fr. 40.- zann man heute ein Gramm Heroin <aufen. Da ist die Gewinnspanne für den «mittelgrossen» Händler nicht mehr sehr gross, so dass dieser schon mal auf die Idee kommen könnte, den Stoff weiter zu strecken. Und wenn einer noch dazu von der Polizei gefasst wird, und diesen Verlust decken muss, ist der Schritt zum Strecken nur ıoch ein kleiner. Und da nicht jeder ein Fachmann auf diesem Gebiet ist, könnten sich durchaus Probleme ergehen. Die öffentlich sichtbare Verelendung st also ziemlich gestoppt, niemand sieht ja hinein in die Wohnungen oder Zimmer des Einzelnen, das Wegschau- an wird uns sehr einsam gemacht darmit. Jäuser wie die Zenti oder das Hotel 3ären wurden geschlossen. Diejeni: zen, die da gewohnt haben, mussten jich etwas anderes suchen, verteilten ;ich somit automatisch auf verschiede: ı1e Orte. Aber Sselbstverständlickh anden Dealer und Süchtige sofor‘ vieder zusammen. Man tauschte sick ınfach die neuen Telefonnummerr ınd Adressen aus, schob eventuel jogar noch einen Zwischenhändler ein ınd die Sache war geritzt. Man musste vielleicht im ersten Moment etwas veitere Wege gehen, wer aber etwas ‚on Suchtverhalten versteht, der weiss lass es den Süchtigen kalt lässt, /ie weit die Wege sind, die er gehen nuss. Hauptsache er kommt an seir Jope! Ein sicheres Indiz dafür, lass nicht weniger konsumiert wurde ıls bisher, ist sicher, dass im Oktobeı 36 10900 Spritzen vom Spritzenbus ıus abgegeben wurden! In dieseı Zahl ist weder eine Apotheke enthalten lie ja auch Spritzen tauschen, noch ir- jend eine andere Institution, die den ıleichen Zweck verfolat. Bedingt durch die Repression, der ;tarken Druck seitens der Oeffentlich: <eit und der Polizei haben sich die mei sten Leute von der Gasse zurückagezo Jen, man sieht sie nicht mehr so oft wie rüher. Das ist nicht mehr als logisch lenn wenn man sofort verhaftet wird xaum zeigt man sein Gesicht auf deı Strasse, bleibt man natürlich eher zu lause. Oder man hält sich in Wohnun- jen von Kollegen auf, wo man für zurze Zeit geduldet wird, jedoch genau veiss, dass dies kein dauernder Zustand sein kann. Das heisst, der Druck bleibt bestehen. Dies wiederum ı1eisst zwangsläufig, dass die eigent ich für jeden wichtige Konversatior veitgehend wegfällt, Informationer ehlen, die Leute vereinsamen vor dem *ernsehapparat mit der Spritze ir \rm, der dadurch noch mehr Bedeu ung zukommt! Die wegfallende Kom nunikation unter den Süchtigen könn- e aber auch zum Problem werden. Für len Fall zum Beispiel, dass mal wiedeı ‚schlechter Stoff in Umlauf kommt :Önnte es evtl. für einige unserer Mit- nenschen tödlich werden, dass sie an liese so wichtigeh Informationen nu' er Selbstversuch herankommen kön ı1en! Man erinnere sich an das mil \tropin gemischte Kokain, das ir Zürich im Umlauf war, das von einerr. ınserer Mitmenschen in Umlauf ge jracht wurde, oder an den Zwischen- all vor ca. vier Jahren als es hiess. e: Natürlich habe ich mich sofort zefragt, wie es denn jetzt so abläuft. diese Frage wurde relativ schnell eantwortet. Man öffne seine Augen ınd sehe (dafür sind sie nämlich da). \uf meinen Streifzügen durch die stadt habe ich die Meinen denn auch jeöffnet und natürlich die gleichen .‚eute gesehen, die ich schon die letz- ;en Jahre sah. Selbstverständlich nicht nehr so offen wie früher, nichts de: itotrotz sind sie noch da, überall in der Stadt. Wer geglaubt hat , mit Kleinver- suchen der Heroinverschreibung, Met- ıadonprogrammen und Repression ‚erschwinde UNSER Drogenproblem war schon sehr blauäugig. Denn dieje- ıgen, die von keinem Programm arfasst werden, und die, die neber iem Methadon noch Kokain konsu: mieren, sind jetzt einfach ganz abge aucht in die Anonvmität Natürlich Diitsch