Asa Seite 2 G { a h | | h S ] ) «Jugend ohne Drogen» aus der Sicht eines vetroffenen Methadon- bezügers Als ich zum ersten mal von der Initiati- ve «Jugend ohne Drogen» hörte, wurde von den Initianten noch fleissig Unter- schriften gesammelt. In Unkenntnis des Initiativtextes (siehe Einleitung) glaubte ich an eine gute Sache, nur der Schönheit des Titels wegen. Im glei- chen Atemzug stellte ich mir die Frage, »b mit einem neuen Verfassungsartikel aine Jugend, die keine Drogen konsu- miert, «geschaffen» werden kann? Ich habe diese Frage ohne zu zögern ver- ıeint und versuche mit diesem Artikel zu erklären, wieso dieses Volksbegeh- ‘en illusorisch, ja sogar gefährlich für ınsere multikulturelle Gesellschaft ist. Schweizer Bischöfe Ein klares Nein zur Initiative *hungen ab, die sie nicht einhalten kann. 3. Eine Annahme der Initiative «Ju- Jend ohne Drogen» wäre kontraproduk- iv. Die Politik des Bundes, die auf den rier Säulen Prävention, Therapie, Scha- jensverminderung/UÜberlebenshilfe und xepression beruht, müsste aufgegeben verden. Damit würde die erfolgreiche Arbeit, die in den letzten Jahren auf den ınterschiedlichsten Ebenen geleistet ‚urde, in Frage gestellt. Das Ausmass des Drogenproblems ‚nd das Schicksal der drogenabhängi- jen Menschen und ihrer Angehörigen ‚ereiten den Bischöfen grosse Sorgen. zbenso besorgt sind die Bischöfe über lie gravierenden Folgen des übermässi- jen Konsums von Alkohohl und Tabak ‚;owie den Missbrauch von Medikamen- en. Sie weisen ferner auf die internatio- ale Dimension des Drogenproblems ıln, die unter anderem im organisierten /erbrechen ihren Ausdruck findet. Ge- zen alle diese eng miteinander verknüpf- en Probleme vermag eine einseitige, ‚orwiegend auf Repression basierende Drogenpolitik nichts auszurichten. Not- vendig sind differenzierte Lösungsansät 'e, wie sie der Bundesrat mit seiner Vier Säulen-Politik verfolgt. Die Bischöfe un- erstützen deshalb die Politik des Bun- lesrates. Die Initiative «Jugend ohne Drogen» vürde die Überlebenshilfe verunmögli- :hen und die Aids-Prävention in Frage stellen. Damit richtet sich die Initiative di- "ekt gegen die drogenabhängigen Men- ;ichen. Im Gegensatz dazu wollen christ- iche Ethik und christliches Handeln die 4enschen am Rand wieder in die Gesell- schaft zurückführen und nicht noch wei- ar ausgrenzen. Die Schweizer Bischofskonferenz ;mpfiehlt die Initiative «Jugend ohne Drogen» zur Ablehnung. Pressemitteilung der Schweizer Bischofskonferenz. Das Drogenprobiem ist vielseitig unc Komplex. Sucht hat viele Ursachen - ne pen der Droge selbst spielen auch per- sönliche und soziale Umstände sowie ge: sellschaftliche und kulturelle Einflüsse eine wichtig Rolle. Die einzelnen Droger ziehen deshalb entsprechend ihrem Ab- 2ängigkeitspotential und der Gebrauchs: weise unterschiedliche Folgen und Ne- benwirkungen nach sich. Die sozialen Probleme und das Leiden vieler Men- schen, verursacht durch die Suchtab- hängigkeit, stellen unsere Gesellschaft vor schier unlösbare Aufgaben. Die christliche Ethik lässt sich vom Beispiel Jesu leiten. Sie stellt den notlei- denden Menschen und dessen Würde in den Vordergrund. Daher gilt auch gegen- iber den am Rand stehenden drogenab- hängigen Menschen die Aussage Jesu: ıWas immer Ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt Ihr mir ge- tan» (Mt 25,40ff.). Die Schweizer Bischöfe sind beunru- ıgt über den fehlenden Differenzie- rungsgrad der Initiative «Jugend ohne Drogen», die am 28. September 1997 jem Schweizer Volk zur Abstimmung vorgelegt wird. Weil ihnen der von der In- tiative vorgeschlagene Weg und die da- mit zu ergreifenden Massnahmen nicht geeignet scheinen, betrachten sie die In- tiative aus folgenden Gründen als nicht örderlich für die Lösung des Droagenpro- lJlems: 1. Titel und Forderungen der Initiative Jugend ohne Drogen« sind irreführend ınd vereinfachend. Jenen, die für eine ındere Drogenpolitik eintreten, scheint nan die unehrliche Absicht zu unterstel- en, sie würden sich für eine Jugend mit Drogen einsetzen. Selbstverständlick <ann niemand für eine «Jugend mit Dro- Jen» sein. 2. Das vielschichtige Drogenproblem sann 6 mit vereinfachenden Radikal- ösungangegangen werden. Die Initia- tive «Jugend ohne Droaen: aibt Verspre- Seit mittlerweile ca. sechs Jahren bin ich ohne Unterbruch im Aethadonprogramm. Auf den ersten Blick müsste man meinen, dass diese Therapieform bei mir nicht gefruchtet hat. Differenzierter jetrachtet sieht «meine» Realität ein bisschen anders aus: "isenqasse Luzern angtes Selbstwertgefühl. Trotzdem ‚aute ich das Methadon in dieser chwierigen Zeit innert einem halben ahr schrittweise vollständig ab und erade als ich glaubte, dieses uner- 'euliche Kapitel in meinem Leben ab- eschlossen zu haben, ging es erst chtig los: ich konsumierte zum ersten ı1al Kokain intravenös, eine Droge, die :h mir aus finanziellen Gründen ei- antlich gar nicht hätte leisten können. on Kokain wird man körperlich nicht >hängig; daher wiegte ich mich in ei- ar trügerischen Sicherheit, da ich die uswirkungen auf die Psyche völlig inorierte bzw. vielleicht ignorieren 'ollte (?). Der Nachteil v@issem ‚uchtmittel ist der Stress nac em so- enannten «Flash» (die berauschende Yirkung hält nur für kurze Zeit an), ıan benötigt quasi das Gegenteil um an diesem unerfreulichen «Trip herun- rzukommen»; also z.B. Herein, Ha- chisch oder Rohypnol. Ha diese l\ittel nicht zur Hand, benötigt Man im- ıer mehr Kokain, bis der Körper müde ird, ansonsten bekommt man para- ide oder depressive Zustände. Jadurch wurde ich also erneut hero- ‚abhängig und benötigte erneut den ‚rsatzstoff Methadon. Was das Heroin Jvor während zwei Jahren nicht ver- ıochte, schaffte das Kokain innert ein aar Monaten: ich verlor meine lang- ihrige Lebensgefährtin, begreiflicher- 'eise konnte sie meinem Treiben nicht inger zusehen. Darüberhinaus wurde ır die Wohnung wegen zu vieler Mie- ückstände gekündigt, worauf ich uch noch meine letzten «Lebensge- ‘'hrten», meine drei Hauskatzen, ver- r. Plötzlich stand ich zum ersten mal meinem jungen Leben auf der Stras- 2; meine sogenannt besten Freunde is auf ein bis zwei Ausnahmen) hat- an mich schon lange aufgegeben. Der ositive Aspekt dabei: heute weiss ich, 'er meine wahren Freunde sind. Auch on meiner Familie erhielt ich damals ceinerlei Unterstützung. Fazit: innert Foto Sandra Giovannaccı len Sozialhilfeempfänger ihre Macht püren. Heute, knapp vier Jahre später, bir :h wieder an dem Punkt, wo ich schon inmal war, nämlich beim Abbau des t‚ethadons. Ich hoffe, dieses bis in etwa rei bis vier Monaten geschafft zu ha: ‚en. Die Lehre, die ich aus diesen Er ıhrungen gezogen habe, lässt sich fol Sndermassen umschreiben: Ich bin ein sogenannter Spätzünder, vill heissen, dass ich erst im Alter von etwa 23 Jahren ins Drogenmilieu «hin- einrutschte». Die Gründe hierfür wür- den wohl einen ganzen Roman füllen, hauptsächlich aber war es die reine Neugier, welche mich zum Kosum von legalen Drogen verführte. Erfahrun- gen mit Cannabis und Alkohol hatte ich damals schon zur Genüge gemacht, zenoss ich diese «Suchtmittel» doch schon zehn Jahre lang, ohne davon ab- ıängig zu werden. Als ich mir meiner Heroinsucht be- wusst wurde, suchte ich schnell die Hil- e von Experten oder von Leuten, die sich für solche halten. Ich suchte die Drogenberatungsstelle in Luzern auf and entschied mich nach den Einfüh- ungsgesprächen mit meiner Betreue- in für die niederschwellige Methadon- abgabe. Diese Entscheidung traf ich ıicht zuletzt deshalb, weil ich einen sta- jonären «kalten» Entzug mit anschlies- sender Therapie kategorisch ablehnte. Damals hatte ich also die Chance zu wählen, welche Therapieform meiner Persönlichkeit am ehesten entspricht. Bei Annahme der Initiative hätte kein einziger Drogenabhängiger mehr eine Nahl. In meiner jugendlichen Naivität glaubte ich, das Methi sei ein Wunder- nittel, weiches mich ohne Schmerzen /on meiner Sucht befreien könne. Tat- sächlich machte ich anfangs wirklich schnell Fortschritte: der Wegfall des Beschaffungsstresses mit der damit verbundenen Kriminalität bescherte mir viel freie Zeit, die ich in die Ar- beitssuche investieren konnte (die Tä- tigkeit als Sachbearbeiter bei der Das Methadon ist kein Wundermit- al, es ist jedoch (neben dem Heroin Togramm) die einzige Alternative zu iner stationären Therapie, welche ibrigens volkswirtschaftlich vie eurer ist. Nicht für jeden Drogenabhängigen st dieses Programm empfehlenswert, :inen Versuch würde ich jedoch jedem aten (vorausgesetzt dieses «Kata- trophenvolksbegehren» wird «bach- ıb geschickt»). Das parallel dazu laufende Heroin- ıbgabeprogramm darf nicht auf Ko- iten des Methadonprogramms durch- Jeführt werden. Momentan scheint nir dies nämlich der Fall zu sein, da lessen Qualität (d.h. die Gesprächs- herapie und Aufenthaltsdauer im Drop-In) seit Beginn des Versuchs nerklich gelitten hat. Resümierend möchte ich dem Personal zw. den Verantwortlichen dieser Program- ı1e noch einen Vorschlag unterbreiten: Der Hauptunterschied zwischen eroin- und Methadonabgabe ist die arm der Konsumation. Erfahrungsge ıäss weiss ich, dass viele das Heroin rogramm bevorzugen, weil man es in- avenös kosumieren darf. Könnte man icht auf Wunsch auch das Methador ı dieser Form abgeben? Ich bin über- eugt, dass damit vielen «schussageilen» unkies aehalfen wäre. Markus Bachmann Sich in der Droagenpolitik keine Weae verbauen © Ah Foto Karl GCähwiler V E R U N S =1L CC H ‚.E R U N GG In den letzten Tagen und Wochen ıabe ich einige Gespräche mit Leuten geführt, die im Heroin- oder Methadon- programm im Moment integriert sind. Das Ziel dieser Gespräche war eigent- ich, einige kurze Statements zur Ab- stimmung zu erhalten. Sehr schnell be- merkte ich aber, dass die meisten gar nicht in der Lage waren, ein solches ab- zugeben. Warum konnten sie dies nicht? Der Name der Initiative klingt so ver- dammt vielversprechend, dass man sich allzuteicht vom Namen täuschen ässt, der Sache nicht genügend auf den Grund geht. Dann hört man noch dieses oder jenes auf der Gasse und die Konfusion ist Derfekt. Doch auch wenn nan (ich) der Sache wirklich auf den irund geht, heisst dies noch lange ücht, dass man auch wirklich infor- niert wird. So ist der Initiativtext unge- 'au und irreführend. Es steht ganz klar ı Initiativtext, dass die Abgabe von eroin, anderen Opiaten, Kokain, Can- :abis, Marihuana und analogen Stoffen arboten wird. Als ich aber zwei der In- antinnen der Initiative am Telefon be- agte, erklärten mir beide, Methadon ürfe weiterhin abgegeben werden, mit em Hinweis darauf, dass Methadon im .itiativtext nicht erwähnt werde. Me- ıadon ist aber ein Opiat, dazu noch ine analoge Substanz zu Heroin. Da- ait ist doch klar. dass es verboten sein ird. Sind hier eigentlich Schlangen: der Bauernfänger am Werk, Leute, de- an es egal ist, für ein paar Stimmen ıehr, die Wahrheit etwas zu manipulie- »n? Ebenso unklar ist der Zeitrahmen /ieviel Zeit etwa würde einem Metha:- onbezüger eingeräumt, seine Dosis weit abzubauen, dass ein Entzug ne Chance auf Erfolg hätte? Gibt es anügend Erkenntnisse darüber, wie- iel Zeit einem Methadonbezüger, der chon über einen längeren Zeitraum inweg eine hohe Dosis (sagen wil ‚O0ml) pro Tag konsumiert hat, einge äumt werden muss, damit er den Ent- ug überhaupt überlebt? Angesichts Heser (Inklarheiten wundert es mich iberhaupt nicht, dass grosse Zukunfts- ıingst aufkommt. So sagte einer meineı jesprächspartner, der im Heroinpro ıramm ist: «Jetzt haben sie mich ge »hrt, mich trotz meiner Sucht akzep 'eren zu können und kaum habe ick las gelernt, wollen sie es mir wieder /‚egnehmen. Wo bitte, liegt denn da deı 'inn? Wozu soll ich denn noch weiter :ben? Um das Versuchskanninchen für ‘gendwelche Leute zu spielen, denen nein Schicksal sowieso scheissegal +?» Eine mehrfache Mutter, die im Mo- ıent Kontakt zu ihrer Familie hat, be- ürchtet, den Kontakt zu den Kindern abbrechen zu müssen. da sie zu einem zntzug nicht fähig sei und daher wohl ‚urück auf die Gasse, in die Kriminali- ät müsse. Dies könne sie ihren Kin- lern nicht zumuten. Die meisten Heroin- und Methadon- ‚ezüger, mit denen ich sprach, haben ‚eine Ahnung, wie’s bei einer Annah- ne der Initiative tatsächlich weiterge- jen würde, die grosse Mehrheit aller- lings rechnet damit, früher oder später wieder in der Szene zu landen! Ich frage mich schon, wie die ;chweiz in der Weltöffentlichkeit da- tehen würde, wenn sie ihre Kinder zu- ück in den Letten schicken würde! PDiitsch Die nächste Nummer... Hier könnte Ihre Werbung stehen