EEE Seite 4 A} 7 «a FA A % } F a: Va Ya: a Fr £ 8 ; ww; E : ; 3 Ein Interview mit Direktbetroffenen Eine Initiative, die überall zu Diskussionen und wilden Disputen anregt: Drogenbeauftragte, Sozialarbeiter wie Politiker und Spezialisten buhlen sich um die scheinbar einzigen und na- türlich einleuchtendsten sowie zutref- fendsten Argumenten in der Analyse der fundamentalen Initiative für eine drogenfreie Gesellschaft «Jugend ohne Drogen». Eine Gesprächsrunde mit ausschliesslich direktbetroffenen Men- schen, mit Süchtigen und auch Ex: Junkies ist dieser Tage schwer zu fin: den. Wertvolle Erfahrungen und Ein: drücke von Opiatabhängigen werden dadurch allzuoft nicht zureichendst be- achtet, gar wahrgenommen. Diesem Missstand zuwider, erklären und disku- tieren nun Charlotte, Fritz und Michi aus der Sichtweise Direktbetroffener heraus ihre Ängste und Meinungen in Anbetracht der Initiative des 28. Sep- tember. Die drei InterviewpartnerInnen sind Benützerinnen der «GasseChuchi» Die 36-jährige Charlotte absolvierte eine Lehre im Gastgewerbe. Sie ist heute aufgrund der bereits beinahe 20 Jahre andauernden Drogensucht ar- beitslos und seit zwei Jahren erfolg- reich im Heroinprogramm. Sie sagt darüber, dass sie sich seit dem Heroin- programm wieder gut im Griff habe. Fritz, ein 43 jähriger Frührentner, clean seit sieben Jahren, mittels der 10 Jah- re langen Angehörigkeit an einem Me- thadonabgabeprogramm. Dies nach 17 Jahren Drogenhölle. Zuletzt Michi im Rollstuhl. Seines Zeichens zum Kaufmännischen Angestellten und im graphischen Bereich ausgebildet, ist nach 12 Jahren Heroinsucht sowie dank dem bereits zwei Jahre währen- den Heroinprogramm nicht mehr kri- minell rückfällig geworden, zudem konnte er die abgebrochene Beziehung zu seiner Familie wieder aufbauen. Charlotte, Fritz und Michi. Über die Initiative «Jugend ohne Dro- gen» wird am 28. September an der Stimmurne entschieden. So- ziale Institutionen beziehungs- weise solche der Überlebenshilfe wie die GasseChuchi würde es im Falle einer Annahme der Initiative nicht mehr geben. Dies hätte un- weigerlich Folgen für Euch und die Gasse. Wie sieht denn bis an- hin die Situation auf der Gasse aus, beziehungsweise was läuft auf dieser ab? Fritz: Meiner Meinung nach gibt es <eine Gasse mehr. Die polizeiliche Re- »ression hat die Szene noch anonymer verden lassen, wodurch nun alles im ?rivaten abläuft. Du weisst nicht mehr, vo du an Stoff herankommst. Was dazu ühren kann, dass du sogar ungewolli n Kreise kommen kannst, wo du ei: jentlich nichts verloren hast. Die gan: e Szene ist vollkommen aus der Kon: rolle geraten. Charlotte: Ja, genau. Alles handelt m Versteckten. Viele bewegen sich angeboten, diese zu enormen Preisen. Charlotte: Was Fritz über die Kon- rolle der Szene sagt, meine ich auch ;o. Läufst du nichtsahnend durch die Stadt, wirst du auf einmal, teils rüde, ıngemacht, ob du nicht etwas kaufen ‚illst. Dies selbst wenn du nichts willst der gar nichts brauchst. Michi: Das ist eben so. Alle müssen s auf die Schnelle erledigen, Dealer vie Käufer. Das Klima ist dadurch au- omatisch aggressiver. st denn die heutige Situation für Such befriedigend? Fritz: Für mich als Ex-Junkie ist es Joint wollen, für den Samstagabend ıder so. Michi: Dem pflichte ich bei. Auch vird durch die verschwundene Gasse in Teil des Deals in die Institutionen rerlagert. Dies führt immer wieder zı jewalttaten in den Institutionen. Das (lima zwischen uns und den Betreue- Innen ist demzufolge auch manchmaı egativ und gereizt, Charlotte: Statt Solidarität unter- :inander zu zeigen, bekämpfen wir uns. Michi: Ja, die Insti’leiterinnen müs ;en immer mehr Polizist spielen. Die ei- zentlichen Aufgaben zu erledigen ist für 1 Fritz, Michi und Charlotte “to Yolanda UVebemard ‚chon gar nicht mehr mit Stoff in die stadt. Ich meinte, es ist fast unmöglich uf der Gasse noch etwas reinholen zu ännen. Michi: Zugegeben: Es ist schwer, in er Stadt Stoff zu erhalten. Aber »rauchst du mal unbedingt etwas, be- ‚ommst du auch was. Jedoch durch Jas Versteckte und heimliche Getue ‚annst du die Ware nicht mehr kontrol- ieren. Es ist dadurch auch viel schlech- er Stoff im Umlauf. Ausserdem werden ezeptpflichtiage Medikamente vermehrt ‚ehr problematisch. Wie gesagt bin ich ıicht mehr opiatabhänig, aber ich kiffe. ıoch. Will ich mir nun Hasch besorgen nuss ich jedesmal an Orte und zu Per. ‚onen, die auch mit harten Droger: lealen. Eben eine Gasse gibt es ei- jentlich gar nicht mehr. Wenige Deale: ı1aben alles. Dies stellt für mich natür ch ein höheres Risiko dar, mit diesen ‚euten wieder vermehrt in Kontakt zu :ommen. Ich meine, es ist auch für sol- he sehr gefährlich, die gar nie in der izene waren, d.h. solche die nur einen ie manchmal äusserst schwierig. Fritz: Die Gewalt ist tatsächlich ein )roblem. Wenn du Hasch beziehst, bist lu automatisch in den Kreisen, wo al: es gedealt wird. Die Gewaltbereit- ichaft ist auch folglich höher. Es wird mmer ein Gestress, Du fühlst dich wie ler grösste Verbrecher, Charlotte und Michi: Uns fehlt zu- ıem eine sinnvolle Beschäftigung im 3ereich der Luzerner Institutionen. Wir ürden es toll finden, beispielsweise alle zwei Wochen etwas miteinander zı Schluss von Seite 3 Die Initiative Drogenpolitik meinen Politiker und Po- nat verheerende Folgen für Suchtkran- itikerinnen auch nicht ihre eigenen ke, grenzt aus und treibt diese Men- _Suchtprobleme ( Alkohol, Tabak, Me- schen in die Kriminalität. Gesundheits- likamente, usf.), sondern die Sucht- politische Massnahmen, wie die Abga »robleme derjenigen, die «richtige» De von Methadon, die kontrollierte Ab- Drogen, also vom Gesetz verbotene gabe von Heroin und die Abgabe von Substanzen konsumieren. Das Drogen- Sterilen Spritzen wären verboten. Eine >roblem ist etwas, das die anderen ha- Zunahme von HIV-Infizierten wäre die en. Die Drogensucht ist kein vorsätz- Folge. Auch die Bevölkerung wäre be- licher Wille zur Selbstzerstörung, son: ;roffen. Gewinnerin wäre nur die Dro- dern eine psychosomatische Krankheit genmafia, denn härtere Ver- von langer Dauer, Sie ist von rolgung führt zu höheren der Weltgesundheitsorgani- reisen. Die Beschaffungs- 3ation auch als Krankheit kriminalität würde anstei- anerkannt. Als Krankheit gen, offene Drogenszenen zignet sich die Drogensucht würden wieder grösser. Die ıicht für die Politik! Kosten für Zwangsentzug, Als Präsident des Drogen Gefängnisse und Polizei- 7orum Innerschweiz DFI ver- massnahmen wären im- suche ich, einen konstrukti mens. ven Beitrag für die Lebenssi- Ich empfinde das Men- tuation von drogenabhängi- schenbild der Initianten als Grossrat gen Frauen und Männern zu menschenverachtend. Dro- Ueli Graf leisten. Wir führen die beiden gensüchtige brauchen unse- (LPL) Therapiezentren Ausserhof- re Hilfe, wir sind dies in einer christli- matt und Lehn, die Fachstelle für chen Gesellschaft dem Nächsten auch Suchtprävention und die Fachstelle für schuldig. Aus all diesen Gründen emp- Nachsorge. Wir versuchen, die kom: fehle ich eine Ablehnung der Initiative »lexen Probleme, die sich im Zusam «Jugend ohne Drogen». nenhang mit Drogensucht ergeben, Wie engagieren Sie sich für eine iifferenziert und professionell anzuge- ehrliche Drogenpolitik? an. Graf: Gibt es eine ehrliche Drogen Schaller-Kurmann: Indem ich dem politik? Unter dem Titel «Drogenpolitik« \omitee für eine ehrliche Drogenpolitik versuchen Politikerinnen und Politiker, m Kanton Luzen beitrete, dessen Prä- aus einem Thema, das sie vom Hören- idium aus Ständerätin Helen Leumann sagen kennen, mit grossen Sprüchen PL und Nationalrat Josef Lötscher persönlichen Profit zu schlagen. Mit VP besteht. Ich helfe mit bei Podiums- liskussionen und werde, vor allem bei ıns auf dem Land, an Veranstaltungen lie Leute vom Unsinn der Initiative zu iberzeugen versuchen. \m 10. Juli nimmt der Bundesrat stellung zum Versuch der kon- rollierten Heroinabgabe. Wie lenken Sie darüber? Graf: Dieses Ergebnis seriöser wis- ‚enschaftlicher Arbeit zeigt, wie dane- ;|en die verführerische Initiative «Ju- end ohne Drogen» ist. Die Wissen ‚chaftlichkeit des Versuches anzuzwei- eln ist billige Stimmungsmache von kepressionsfanatikern. Aufgrund deı »ositiven Ergebnisse auf die gesund- keitliche und soziale Situation der Ver ‚juchsteilnehmerlInnen bin ich der Auf- assung, dass die ärztlich kontrollierte 1eroinabgabe ausgeweitet werden soll, Damit die gesetzlichen Grundlagen nöglichst rasch geschaffen werden iönnen, müssen wir zuerst der Initiati- 'e «Jugend ohne Drogen» eine deutli- :he Abfuhr erteilen. Schaller-Kurmann: Veröffentli- chungen über die kontrollierte Heroin abgabe haben gezeigt, dass sie sinnvoll st. Die Lage der suchtmittelabhängi- jen Personen hat sich verbessert, ihr jesundheitszustand hat sich stabili: ;jert, sie haben meist wieder eine Woh- ıung und Arbeit, sie können den Stofl angsam reduzieren und sehen für sick vieder eine Zukunft. Mit der Heroinab- jabe haben wir nicht die schnelle Lö: ‚ung hin zur Abstinenz. Personen mil ange dauernden Drogenkarrieren kön- ıen aber in kleinen Schritten hin zu ei ıem menschenwürdigen Leben gelan- zen. Die einen oder anderen haben so- jer den Ausstieg geschafft. Das ist loch ein enormer Erfolg. «Viele Wege ühren nach Rom», heisst das alte Sprichwort, «Viele Wege führen aus der Sucht» muss ein Sprichwort unsere: Zeit heissen. Die kontrollierte Heroin: ıbgabe ist also kein Widerspruch zu jen drogenpolitischen Leitsätzen, im jegenteil, sie stellt einen Teil der Über- Veranstaltung -HAUS — a i m Missionarisches Bildunaszentrum Luzern Lieber süchtig als spirituell? Abendgespräch mit zwei Betroffenen Dienstag, 23. September, 20.00 Uhr SE ınternehmen. Zusammen Sport trei- »en oder meditieren. Hier in der Gasse- Chuchi hätte man genügend Leute, die ;jich dafür begeistern liessen. Auch ‚ehlt es an einem Ort, wo man sich un- ;jer menschenwürdigen Bedingungen ınd vor allem in Ruhe einen Schuss ;etzen kann. Wenn Du keine Wohnung ı2ast, also obdachlos bist, fühlst du dich vie ein Tier auf der Suche nach Fres- jen. Vas befürchtet Ihr, beziehungs- veise welche Gefühle habt Ihr, alls die Initiative angenommen vürde? Charlotte: Angst, grosse Angst. Am »‚jesten setze ich mir dann gleich den Joldenen Schuss. Alle meine Bemü- ıungen und Ziele würden zerstört wer- len. Auch den von mir und Michi eben ‚orgebrachten Vorschlag, etwas mit- sinander zu unternehmen, würde sich als viel schwieriger erweisen, wenn die jasseChuchi nicht mehr existieren würde. Ich habe Angst. Fritz: Ich denke dieser Versuch gin- ge nach hinten los. Der Drogendeal würde noch mehr als jetzt florieren, die Beschaffungskriminalität noch gestei- gert. Michi: Ja, ich müsste dann auch wieder durch kriminelle Machenschaf- ten zu meinem Stoff kommen. Meine Situation würde sich enorm ver- schlechtern wobei wahrscheinlich wie- der der Kontakt zu meiner Familie ver- loren ginge. Da es für mich im Rollstuhl seinen Therapieplatz gibt, sähe ich als Alternative nur noch den erneuten Weg in die Nlegalität. Fritz: Auch muss man beachten, dass einer, der im Programm 100-170 mg bekommt, auf der Strasse mit dem schlechten Stoff drei bis vier Gramm Jenötigt, wie würde er diesen Stoff kon- irollieren wollen? Kommt hinzu, wenn du keine Spritzen mehr tauschen xannst, geht das «Filterle»« wieder los Also ich meine, du müsstest wieder je- den Dreck von der Gasse nehmen, Charlotte: Die Erfahrung zeigt es ja. Wenn es mit dem «Filterle» wieder be- ginnt, herrscht ein aggressiveres Klima ‚or. Kommt hinzu, dass die An- teckungsgefahr durch das «Filterle», durch verschmutzten und gestreckten Stoff sowie der Mangel an sauberen Spritzen wieder mehr Opfer bringen wird. Michi: Sind alle Insti dann mal zu, tritt ıuch die totale Vereinsamung ein. Die süchtigen wie Ex-Junkies haben keinen Treffpunkt mehr. So wird auch die Ab- ‚Chottung gegen die Bevölkerung geför- 1ert. Wir könnten nicht mehr hier in die 3asseChuchi kommen und uns mitein- ınder unterhalten. Der Graben Drogen- süchtiger - Bürger klafft mehr denn je auf. Ein wenn auch nur kleines Verständ- nis für unsere Situation würde durch die "rennung überhaupt verloren gehen. Interviewleiter Dani Wechlin lebenshilfe und Therapie dar und muss veitergeführt werden. Yaben Sie die Gasseziitig Lozärn schon einmal gelesen? Graf: Ich habe alle Nummern mit zrossem Interesse gelesen. Den Re- lakteurinnen und Redakteuren der jaZ möchte ich bei dieser Gelegen- cheit gratulieren und ein dickes Lob arteilen. Macht nur weiter so! Schaller-Kurmann: Ja, ich habe ;ie auch schon gelesen. Yolanda Ue- »elhard hat sie mir gegeben. Ich finde es ausgezeichnet, von Eurem Leben zu arfahren, von Freud und Leid, von Sor- zen und Ängsten. Plötzlich seid Ihr für lie Bevölkerung, die keinen Kontakt nit Suchtmittelabhängigen haben, ıicht mehr so weit weg. Halt eben Men- ;chen wie Du und ich. Ich wünsche Euch weiterhin viel ”"reude und Erfolg mit der GaZ, und viele kleine Schritte vorwärts. Interview von Markus Bachmann Was haben Spiritualität und Sucht miteinander zu tun? Es berichten von ihren Erfahrungen und Entdeckungen: Toni H. (Alkoholiker): «Auf mei- nem Weg aus der Sucht stolperte ich über die Spiritualität» und Sepp Riedener (Theologe): «In meiner langjährigen Arbeit mit Drogenkon- zumierenden entdeckte ich die Spiritualität 1eU», Für das Romero-Haus: Jose Amrein-Murer