Seite 4 Nr. 45 Mai 2011GasseZiitigLozärn «Ich kaufe die GasseZiitig, weil ... … sie eine gute Sache ist und weil sie den Blick auf die Gesell- schaft erweitert.» Dominique Mentha, Direktor Luzerner Theater Arbeit als Stallknecht im Knast 5. Oktober 2010: Jetzt bin ich ge- nau einen Monat im Knast. Ge- nau genommen in Saxenried in der Ostschweiz. Ich arbeitete von Beginn an im Muni-Stall und im Kuh-Stall. Die Arbeit ist anstren- gend. Wir beginnen um fünf Uhr morgens, und ich habe jeden Abend Rückenschmerzen bis zum Abwinken. Gehe deswegen jeden Dienstag intern ins Joga. Zwei Tage arbeite ich bei den Kühen und einen Tag bei den Munis. Die Arbeit bei den Munis ist dreimal so hart wie bei den Kühen. Aber ich liebe alle diese unschuldig einge- sperrten Tiere. Ich liebe die Kühe und die Kühe lieben mich. Ich bin schon sechsmal in die- sem Knast gewesen im Verlauf der letzten dreissig Jahre. Der drit- te Direktor seither ist ein netter Typ. Komme gut mit ihm aus. Sein richtiger Beruf ist Theologe. Viel Wichtiges gelernt 20. Januar 2011: Ich bin nach vier Monaten aus dem Gefängnis entlassen worden. Endlich ka- piert mein Hirn, dass sich Arbeit lohnt. Arbeit sieht jeder anders. Es ist auf jeden Fall etwas, das etwaige Mühen abverlangt, aber gleichzeitig die Mühe entschä- digt. Klar wurde dies bei meiner letzten Arbeit mit den Kühen. Ich habe während vier Monaten bei einem Bauern im Milchviehstall gearbeitet. Da ich die Kühe zuvor nur aus der Schlachterei kannte, war ich der Ansicht, dass diese Viecher dumm sind, weil sie bedingungslos und regungslos darauf warteten, mit einem finalen Schuss ihres ir- dischen Daseins beraubt zu wer- den. Sie standen einen halben Me- ter neben einer toten Artgenossin, ohne irgendeine Regung erkennen zu lassen, dass sie Angst vor dem Tod hatten. Heute weiss ich, dass diese Tiere durch ihre Sanftmut gezwungen waren so zu han- deln, denn in diesen vier Monaten lernte ich sehr viel über die Kühe. Tiere wurden anhänglich Es handelte sich um einen Frei- luftstall mit 70 Kühen. Um fünf Uhr musste ich als erstes die Kuh- fladen entfernen mit einem über- dimensionalen Spachtel. Nach dieser Arbeit musste ich die Nester der Kühe wieder herrichten. Es handelte sich um 70 Nester, also brauchte ich dafür zirka zwei Stunden. Den Rest des Morgens verbrachte ich damit, den Melk- roboter von den Kuhfladen zu befreien. Am Nachmittag mussten wir die Kühe putzen, also das Fell bürsten und das Hinterteil inklu- sive des Schwanzes vom Mist be- freien. Die Kühe genossen es sehr, von Menschenhand geputzt und gestriegelt zu werden, und es blieb nicht aus, dass sich einige der Tiere buchstäblich in mich verliebten. Ich merkte es, weil gewisse Kühe aufeinander losgingen, wenn ich zu putzen begann. Es entstanden richtige Kämpfe untereinander da- rüber, welche zuerst von mir ge- putzt werden würde, und vier von ihnen folgten mir auf Schritt und Tritt. Ricardo *Name geändert Im Gefängnis arbeitete Ricardo* mit Kühen. Da- bei lernte er Arbeit und Tiere schätzen. «Ich liebe alle diese un- schuldig eingesperrten Tiere.» Ricardo Gute Leistungen der AC GasseChuchi Am 29. Januar fand das alljährliche Hallenturnier in Horw statt, organi- siert von Interaltstadt. Die AC Gas- seChuchi war auch dabei mit Ste- fan, Marco, Mario, Michi, Michael, Beat*, Franz*, und Enrico. Das erste Spiel gegen die Equipe Sociale ge- wannen sie knapp mit 2:1. Gegen das Team Tamils and Friends er- zielten sie daraufhin nur ein 1:1. In der Gruppenphase gewannen die Chuchi-Kickers erfreulicherweise die restlichen Spiele, und erreichten so den ersten Platz in der Gruppe. Im Viertelfinal trafen die Chuchi- Kickers auf den FC Damenbart, den letztjährigen Sieger des Turniers. Gegen diesen starken Gegner verlor die Mannschaft mit 4:0. Zweiter Platz in Basel Am 3. April reiste die AC Gasse- Chuchi an das zweite Turnier des Jahres, das Surprise Hallenturnier in Basel. Mit am Ball waren Stefan, Marco, Mario, Nino und Nathalie. Die Chuchi-Kickers vermochten die ersten vier Spiele zu gewinnen. Marco und Mario waren offensiv kaum zu bremsen. Nino spielte tak- tisch klug. Nathalie brillierte mit einem Superpass gegen Basel, der zu einem Tor führte und die geg- nerische Mannschaft ins Chaos stürzte. Torhüter Stefan hielt man- chen gefährlichen Ball. Im letzten Gruppenspiel verlor die AC Gas- seChuchi allerdings gegen die Ol- tener. Durch den zweiten Zwischen- rang war der Halbfinal dennoch gesichert. Dabei setzten sich die Luzerner mit 6:2 gegen Schwarzer Peter Basel durch. Der Finalgegner waren wieder die Oltener, gegen die die Luzerner mit 4:2 verloren. Der zweite Platz scheint an den Suprise-Turnieren für die Luzerner reseviert zu sein. Schon letztes Jahr belegten die Luzerner dreimal den zweiten Rang, wobei sie gegen ver- schiedene Gegner spielten. An die WM? Äusserst erfreulich ist, dass Stefan, Marco und Mario in der engeren Auswahl für die Homeless-Natio- nalmannschaft sind. Die Nati geht jedes Jahr an die Homeless-Welt- meisterschaft, die dieses Jahr in Paris stattfindet. Manuel Brillant *Namen geändert Die AC GasseChuchi zeigte an zwei Turnie- ren guten Fussball. Für die Nationalmannschaft und die Teilnahme an der WM in Paris sind drei Spieler aus Luzern in der engeren Auswahl. Nathalie, Nino, Stefan, Mario und Marco (von links) sind in guter Laune am Turnier Die Arbeit im Stall ist anstrengend – aber auch lohnend. Bild: Fotolia Warum gehst du in die GasseChuchi? Chregu: Hier sind all meine Kol- legen und Freunde, mit denen ich auch nach Schliessung der GasseChuchi manchmal noch was unternehme. Gehst du auch zum Essen in die Chuchi? Ja sicher. Für 5 Franken bekomme ich hier eine warme, ausgewogene Mahlzeit. Und ab und zu gibt es auch ein feines Dessert. Was bewegt dich sonst noch, in die GasseChuchi zu gehen? Ich gehe in die GasseChuchi, weil ich sonst den ganzen Tag alleine zuhause wäre. Ausserdem kann ich manchmal etwas verdienen, indem ich koche oder die Böden und Toi- letten reinige. Interview: Dominik A. Chregu Bild: Dominik A. ChuchiChopf Frühlingstraum von Andi H. Mir träumt von einem Frühling Wo die Leute sehen, dass das Wort die Lüge nicht erträgt Wo die Leute sich von links nach rechts wenden Wo sie die falsche Freiheit, die nur eine Knechtschaft ist, fallenlassen Wo sie die Heilige Schrift in Ehren halten Mir träumt von einem Früh- ling, an dem alles klar wird, auf einen Schlag Mir träumt von einem Früh- ling, dem hundert glückliche und friedvolle Sommer folgenin Basel. Bild: GaZ