GasseZiitigLozärn Noch heute verfluche ich den Tag, an dem ich zum ersten Mal die- ses Dreckszeug konsumiert habe. Mittlerweile konsumiere ich seit 25 Jahren Tag für Tag Heroin. Durch dieses Pulver habe ich mittlerweile alles verloren: Freunde, Geld, Arbeit und vor allem den Glauben an das Gute im Menschen. Fast alle – oder sogar alle –, die mit diesem Zeug handeln, werfen andere Substanzen wie Tabletten zum Pulver, um es zu strecken. Als ich es zum ersten Mal konsumiert habe, betrug der Reinheitsgrad des Heroins noch um die fünfzig Prozent. Für ein Gramm musste man 450 bis 600 Franken hinlegen. Heute schätze ich den Reinheitsgrad zwischen zwei bis fünf Prozent. Der Rest ist Abführ- mittel oder billige Medikamente. Ein Gramm kostet heute vierzig bis achtzig Franken – je nachdem wie viel man kauft. Heroin statt Haschisch-Öl Damals vor 25 Jahren hatte ich ein Malergeschäft und beschäftigte zwei bis vier Arbeiter. Einer dieser Arbeiter hatte immer eine Alufo- lie dabei, auf die er etwas Pulver streute und es dann erhitzte. Ein, zwei Mal hatte ich zugesehen, im Glauben, dass es sich um Ha- schisch-Öl handelte, da er es schon erhitzt hatte und es wie Harz aus- sah. Irgendwann fragte er mich, ob ich auch probieren wolle. Im Glauben, dass es sich um Haschisch-Öl han- delt, sagte ich ja dazu. Ich musste nur am Röhrchen ziehen, das ich in den Mund nahm. Den Rest be- sorgte mein Arbeiter. Ich inhalierte nur einen Zug von der Alufolie und schlagartig fühlte ich mich fe- derleicht. Alle Alltagsorgen fielen von mir ab wie ein Regenguss von einem Schirm abläuft. Nach diesem einen Mal war die Sucht schon fest in meinem Gehirn verankert wie ein Hilty-Dübel sich in eine Mauer verkeilt. Liebeskummer Am nächsten Tag wollte ich mehr von diesem vermeintlichen Ha- schisch-Öl. Ich fragte meinen Ar- beiter danach, worauf er mich aufklärte, dass es sich um Heroin gehandelt habe. Als mir klar wur- de, dass ich abhängig werden wür- de, unterliess ich den Konsum der Droge. Aber der erste oder zweite Liebes- kummer liessen meine Gedanken auf das schöne Gefühl zurück- schweifen, das ich das erste Mal beim Konsum von diesem Zeug hatte. Damals war ich schon äl- ter als dreissig. Mein ganzer Geist wehrte sich gegen die Erinnerung an das Glücksgefühl. Aber der töd- liche Keim sollte meinen Geist bis heute nicht mehr verlassen. Ohne Glücksgefühl Heute ist das Glücksgefühl, das ich damals empfunden habe, nicht mehr vorhanden. Einerseits weil die Qualität des Heroins heute mi- serabel ist und andererseits weil ich heute nur noch konsumiere, um nicht einen Entzug zu haben. Tag für Tag schnupfe ich Heroin für achtzig bis hundert Franken. Auf Methadon habe ich aber keine Lust, weil ich davon Magenkrämp- fe kriege. Zudem schwitze ich dann stark und habe Hitzewallungen. Deshalb und weil ich später einen Entzug machen möchte, lasse ich seit einem Jahr die Finger vom Me- thadon. Der Entzug von Methadon dauert etwa drei Monate und somit etwa sechs bis sieben Mal länger als der von Heroin. Die Finger davon lassen Ich kann nur jedem raten, die Fin- ger vom Heroin zu lassen, weil das Glücksgefühl, das man im Kopf hat, ein riesiges Problem ist. Heroin darf man nicht probieren. Durch den Heroinkonsum werden Menschen manchmal unehrlich und verlieren auch das Ansehen bei den Leuten. Man kriegt auch finanzielle Probleme. Man verliert alles oder man beginnt mit illega- len Geschäften. Die Qualität des Heroins ist heutzutage miserabel und ist eigentlich gar keins mehr; ein weiterer Grund, weshalb man die Finger davon lassen sollte. Ricardo * Name geändert Heroin – Das Pulver des Teufels «Heute schätze ich den Reinheitsgrad zwischen zwei bis fünf Prozent.» Ricardo «Nach diesem einen Mal war die Sucht schon fest in meinem Gehirn verankert.» Ricardo «Heroin darf man nicht probieren.» Ricardo De chli Grossschnöri: Zu heiss für ein Training Sie steht an der Landstrasse gar klein Die Lippen rot, die Zunge riecht nach Wein Schnell steigt sie in einen schwarzen Wagen Ein Herr in Kittel mit weissem Kragen Sie stemmt die Füsse unter die Scheibe Sie riecht fein und stark und nach Weibe Eine Sommernacht unter leichter Decke Sie hofft, dass niemand sie wecke Nach dem Morgentisch ein leichter Kuss Sie versteht nicht, warum sie gehen muss Die Landstrasse ist lang und leer In ihrer Herzensträne sieht sie das blaue Meer Sintizza von Andi H. Der Konsum von Heroin führt schnell zu einer starken psychischen und körperlichen Abhängigkeit. Bild: Getty Seite 8 Nr. 46 September/Oktober 2011 Er meinte, er würde Haschisch-Öl konsumie- ren. Doch es war Heroin. Seit 25 Jahren lässt dieses Teufelspulver Ricardo* nicht mehr los. Es verschafft ihm nicht einmal mehr wie am Anfang ein Glücksgefühl.