Liebe Leserin, lieber Leser Die Drogensucht wird durch Über- forderungen in verschiedenen Be- reichen des Lebens verursacht. Der Drogenkonsum gibt ein Gefühl von Freiheit, welches jedoch nur von kurzer Dauer ist. Mithilfe von Drogen können süchtige Menschen Probleme verdrängen, jedoch blei- ben die Probleme ungelöst und neh- men tendenziell zu. Im Extremfall sind in sämtlichen Lebensbereichen die Probleme komplex und mitei- nander verkettet. Die Betroffenen können dann kaum mehr Lösungen erkennen. Drogensüchtige Menschen sind des- halb oftmals auf die Unterstützung der Organisationen der Lebens- und Überlebenshilfe und auch auf die Toleranz der Bevölkerung angewie- sen. Werte wie Mitgefühl und die Achtung der Menschenwürde sind dabei besonders wichtig. Verdrän- gung und Verachtung verschärfen die Problemlage der Suchtbetrof- fenen hingegen. Wir danken für Ihr Interesse sowie Ihre Solidarität und wünschen Ih- nen eine besinnliche Weihnachts- zeit.Ihre GaZ-Redaktion Verkauf in Stadt und Agglomeration LuzernDezember 2011, Nr. 47 Auflage: 13 000 Herausgeber: Verein Kirchliche Gassenarbeit Luzern Mitgearbeitet haben: Bea, Gustavo, Habakuk, Kurt B., Lisa, Pius, Said, Samantha, Susi Vonflüe, Willy Ammann, Claudio Soldati, Fridolin Wyss, Ute Studer, Vero Beck Wenn wir das Wort «Obdachlose» hören, so kommen uns sofort die Clochards in den Sinn, die wir in Paris, aber kaum mehr in Luzern sehen. Trotzdem haben wir nach ei- ner Befragung unserer Gäste in der GasseChuchi eine Liste von 46 Per- sonen, die uns sagen, dass sie keine Wohnung haben. Wir nennen sie die «Wohnungslosen». Viele von ihnen finden eine Über- gangslösung in der Notschlafstelle oder bei Kollegen und Kolleginnen. So erzählt mir Thomas*, dass er den 26-jährigen Ralf* vor einem Monat bei sich aufgenommen hat. Ralf war vorher auf der Strasse und hat kein Geld von der Sozialhilfe, weil er sich nicht darum gekümmert habe, berichtet Thomas. Solange es kei- ne Probleme mit Ralf gibt, darf er bei Thomas bleiben, obschon dieser gerne wieder mal die eigenen vier Wände für sich hätte. Hier zeigt sich eine grosse Solidarität unter unseren Gästen. Weil viele wie Ralf vorübergehend ein Dach über dem Kopf haben, nennen wir sie nicht «Obdachlose». Obdachlosigkeit hat zugenommen Von den 46 wohnungslosen Per- sonen geben neunzehn an, dass sie draussen schlafen (Stand 9. Novem- ber 2011). Sie sind effektiv obdach- los. Ob sie immer oder ab und zu oder nur selten draussen schlafen, wissen wir nicht. Nach längeren persönlichen Gesprächen mit eini- gen von ihnen ist jedoch klar, dass Anfangs November mindestens zwölf Personen primär draussen geschlafen haben. Nur selten über- nachten sie in der Notschlafstelle oder bei Kolleginnen und Kollegen. Die SIP (Sicherheit Intervention Prävention) kennt acht Personen, die draussen nächtigen. Bei einer von mir durchgeführten Befragung von fünf wohnungs- und obdachlo- sen Personen (mehr dazu auf Seite drei) hat sich gezeigt, dass die SIP nicht alle geheimen versteckten Schlafplätze kennt. Daher ist die Zahl der SIP kleiner als die von uns. In den vergangenen Jahren haben wir ähnliche Befragungen bei un- seren Gästen in der GasseChuchi durchgeführt. Im Vergleich zu den Vorjahren hat die Anzahl der Woh- nungslosen leicht zugenommen. Stark zugenommen hat jedoch die Zahl der Obdachlosen. Waren es im Herbst 2008 noch drei bis vier Leu- te, so waren es Anfang November mindestens zwölf Personen. Zahlen sind immer relativ Die Zahlen, die im November noch aktuell waren, können im Dezem- ber anders aussehen. Leute, die im November wohnungslos waren, können heute obdachlos sein und umgekehrt. Aber eines ist ein seit längerer Zeit andauernder Trend: Heute brauchen unsere Gassenleute viel länger bis sie – wenn überhaupt – eine Wohnung finden als vor ein paar Jahren. Dies zeigen auch die Jahresberichte von Jobdach auf. Haben 2007 noch 47,1 Prozent nach dem Aufenthalt in der Not- schlafstelle eine eigene Wohnung gefunden, so sind es 2010 noch 31,6 Prozent der Gäste. Trotz unseren Angeboten Obdachlosigkeit Die Angebote der Überlebenshil- fe bekämpfen die Obdachlosigkeit. In der Notschlafstelle erhalten Ob- dachlose für eine bestimmte Zeit ein Dach über dem Kopf. Das Ziel der Notschlafstelle ist nicht eine Dau- erbleibe, sondern die Überbrückung einer Phase der Obdachlosigkeit. Die Benutzer und Benutzerinnen sollen gefördert und gefordert werden. Sie werden unterstützt in der Suche nach einer längerfristigen Lösung. Sie sind gefordert, innerhalb eines Monats eine Lösung zu finden und den Aufenthalt zu bezahlen. Mit dem betreuten Wohnen im Wohn- Strassenprostitution Lisa ist Sexarbeiterin auf der Stras- se. Sie erzählt von ihrem Leben und der aktuellen Situation. Seite 4 und 5 Arbeit Für Kurt ist Arbeit sehr wich- tig, weil er danach eine grosse Zufriedenheit verspürt. Seite 8 Weihnachtszeit In diesen Tagen hat Bea unange- nehme Gefühle wegen Erlebnissen in früheren Jahren. Seite 7 Seite 6 Kokain Der Kokainkonsum führt schnell zu einer starken Abhängigkeit. Dabei kann man alles verlieren. Mindestens 46 woh- nungslose Personen gibt es in Luzern. Es wäre unverantwortlich, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Zwar gibt es Notlösungen wie die Notschlafstelle oder die zeitweilige Unterkunft bei Kolleginnen und Kollegen. Dennoch gibt es Personen, die ob- dachlos sind. Fortsetzung auf Seite 3 «Wer tagtäglich mit diesen Menschen im Kontakt ist, muss nach Lösungen suchen.» Fridolin Wyss Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Luzern Ein Obdachloser mit seinem gesamten Hab und Gut im Rucksack. Bild: GaZ