Liebe Leserin, lieber Leser Die Lebens- und Überlebenshilfe hilft suchtkranken Menschen bei sozialen oder gesundheitlichen Problemen. Sie trägt dabei auch dazu bei, dass Stress, der durch eine aktuelle oder drohende Über- forderung entsteht, abgebaut wird. Bei den Suchtbetroffenen fördert Stress den Drogenkon- sum. Die Reduktion von Stress ist bei süchtigen Menschen deshalb wichtig. Viele Heroinsüchtige können dank einer Substitutionsbehand- lung dem Beschaffungsstress ent- kommen. Die GasseChuchi kann ebenfalls dazu beitragen, dass Stress redu- ziert wird, indem sie eine gesunde Ernährung anbietet oder Schutz vor der Kälte, dem Regen und zum Teil auch vor der Polizei. Wenn Suchtbetroffene sich einsam füh- len, finden sie in der GasseChuchi zudem immer jemanden, mit dem sie prechen können. Wir danken für Ihr Interesse so- wie Ihre Solidarität und wünschen eine spannende Lektüre. Ihre GaZ-Redaktion Verkauf in Stadt und Agglomeration LuzernSeptember 2012, Nr. 49 Auflage: 10 000 Herausgeber: Verein Kirchliche Gassenarbeit Luzern Mitgearbeitet haben: Adriano, Bea, Chris Z., Dominik A., Doris, Eltern vom Paradiesgässli, Fabian, Habakuk, Hänsu, Kurt B., Michi, Ralf, Reto F., Ricardo, Stefan E., Willy Am- mann, Mirjam Gisler, Philippe Frey Ich bin einer der wenigen Über- lebenden aus der Generation der «Kinder vom Bahnhof Zoo». Da- mals, in den 80er-Jahren, begann meine Drogenkarriere. Zusammen mit meinen Freunden liess ich mich mehr von der Verfilmung des Bestsellers über die Berliner Drogenhölle als vom Buch der Christiane F. selber blenden. Weil wir unsere ersten Erfah- rungen mit Heroin bereits hinter uns hatten, hielt uns der abschre- ckende Einblick in die Drogensze- ne nicht davon ab, uns die ersten Schüsse auf der Kinotoilette zu setzen. Wir waren «Helden für ei- nen Tag», wie sie David Bowie im Text zum Filmsong «Heroes» ver- herrlichte. Und wir glaubten noch, alles «im Griff» zu haben. Ausser Kontrolle In Wahrheit hatten wir die Kon- trolle über unser Schicksal längst verloren. Anstatt Helden wurden wir Menschen am Rande der Ge- sellschaft. Fast alle von uns en- deten als Drogentote oder starben inzwischen an Aids und anderen Krankheiten. Zu dieser Zeit musste ich die Sprit- ze für den nächsten Schuss auch mal vom Boden aufklauben. Nur dank unglaublichem Glück habe ich mich nicht mit HIV infiziert. Weil ich mir auch immer wieder jahrelange drogenfreie Lebensab- schnitte erkämpfte, gelang es mir, die vielen Veränderungen in der Schweizer Drogenpolitik zu über- leben, von denen das Heroinpro- gramm eine der Wichtigsten ist. Abschied vom Beschaffungsstress Obwohl mir Ärzte, Freunde und Therapeuten schon lange zum Bei- tritt geraten hatten, galt das He- roinprogramm für mich jahrelang als endgültige Kapitulation vor der Drogensucht. Trotz unzähli- gen kalten Entzügen, Aufenthal- ten in psychiatrischen Kliniken, verschiedensten Therapieformen und privaten Versuchen wollte ich lange nicht einsehen, dass ich im Kampf gegen meine Sucht immer wieder der Verlierer war; oft schon unmittelbar nach dem zehntägigen 10-Jahre-Jubiläum Seit zehn Jahren befindet sich die GasseChuchi im Geissen- steinring 24. Seite 4 und 5 Suchtfreiheit Erst nachdem Chris von der Polizei verhaftet wurde, konnte er sich von der Sucht befreien. Seite 8 Lehrstelle Fabian hat eine Lehrstelle zum Kaminfeger gefunden und ist sehr glücklich darüber. Seite 7 Seite 6 Homeless-WM Ralf hat es geschafft: Er ist für die Homeless-WM in Mexiko selektioniert worden. Nach langem Ringen trat Michi* dem Heroin- programm bei. Er be- richtet hier von seinen vorwiegend guten Erfahrungen. Und er hofft auf den endgül- tigen Ausstieg aus der Drogensucht. Stabilität und Hoffnung dank dem Heroinprogramm «Wir glaubten noch, alles ‹im Griff› zu haben.» Michi Bei der heroingestützten Behandlung erhalten die Süchtigen das Heroin legal (Szene gestellt). Bild: GaZ Fortsetzung auf Seite 3