Verkauf in Stadt und Agglomeration LuzernMai 2016, Nr. 60 Auflage: 10 000 Herausgeber: Verein Kirchliche Gassenarbeit Luzern Mitgearbeitet haben: Bea, Beat, Bruno Schnyder, Donato, Fritz S., Habakuk, Heinz K., Jacky, N. Highweh, Nadine, Roberto, Roger Jakobs, Silvan, Willy Ammann, Marianne Berchtold, Oliver Wehrli, Philippe Frey, Rafael Egli, Roger Lütolf Liebe Leserin, lieber Leser Immer wieder gibt es drogensüch- tige Menschen, die die Abstinenz erreichen oder zumindest eine zu- friedenstellende Kontrolle über ih- ren Konsum. Allerdings braucht es dazu manchmal viel Zeit, manch- mal sogar Jahrzehnte. Während einer intensiven Konsumphase ist es hingegen wichtig, dass man diese Zeit möglichst unbescha- det übersteht. Von Vorteil ist stets eine weitmög- liche soziale Integration. Mit Hilfe der Ressourcen, die dabei beibe- halten oder mobilisiert werden, können Suchtbetroffene nämlich eher ihr Leben in günstige Bah- nen lenken. Für das soziale Um- feld bedeutet dies allerdings, dass sie Verständnis aufbringen müssen für schwierige Lebensbedingungen und sich bis zu einem gewissen Grad tolerant zeigen sollten bei ei- nem fragwürdigen Verhalten. Dies fällt einem leichter, wenn man sich bewusst ist, dass eine starke Sucht immer auch durch problematische soziale Erfahrungen im Verlaufe des Lebens bedingt ist. Wir danken für Ihre Solidarität so- wie das Interesse und wünschen Ihnen spannende Lektüre. Ihre GaZ-Redaktion Catering der GasseChuchi Die GasseChuchi bietet einen Catering-Service an, bei dem Suchtbetroffene mitarbeiten. Seite 4 Im Gefängnis Roberto war im Winter im Ge- fängnis und hat sich entschlos- sen sein Leben zu ändern. Seite 8 Heroin-Substitution Nadine erhält seit einigen Monaten Sevre-Long als Ersatz für Heroin. Seite 7 Seite 4 Frühlingslager Die Kinder des Paradiesgässli haben im Lager Radio gemacht. Kannst du dich kurz vorstellen? Donato: Ich bin fünfzig Jahre alt und lebe seit acht Monaten im Wohnhuus 2 vom Verein Jobdach. Zuvor war ich im Wohnhuus 1 an der Murbacherstrasse. Ich arbeite jeden Tag in der Wärchstatt vom Verein Jobdach, wodurch ich eine Tagesstruktur habe, etwas ver- diene und so zu meinem Lebens- unterhalt beitrage. Dein Leben war aber nicht immer so? Nein, das war es wirklich nicht. Wenn ich zurückschaue, bin ich selber überrascht, wie weit ich es geschafft habe. Ich habe viele Jah- re Drogen konsumiert. Alles fing in Olten an, als ich 23 Jahre alt war. Ich rauchte täglich Heroin, konsumierte Kokain und trank zu viel Alkohol. Wenn man zehn Jahre einem sol- chen Konsum ausgesetzt ist, macht das einen Menschen total kaputt. Auch als ich nach den zehn Jahren in das Methadonprogramm wech- selte und Hilfe erhielt, merkte ich schnell: Hat man Geld im Sack, ist der Zwischenkonsum sicher. Heute konsumiere ich jedoch keine Dro- gen mehr. Warum hast du dich entschlos- sen, mit den Drogen aufzuhören? Meine Gesundheit hat unter dem Drogenkonsum gelitten, vor al- lem auch weil ich Diabetiker bin. Im Jahr 2008 fiel meine Entschei- dung, mit dem Konsum aufzu- hören. Ich ging in den Entzug in die Klinik in St. Urban. Ich bin dann jedoch nach Luzern gefah- ren und habe wieder angefangen zu konsumieren. Seither bin ich in Luzern, obwohl ich keine Wohnung, kein Zimmer und auch keine Arbeit hatte. Nie- mand hat mir Hilfe angeboten. Auf mich gestellt wurde die Gasse mein Zuhause. Mein Stolz liess es nicht zu, Almosen zu erbetteln; erst recht nicht mehr, als mir ein So- zialarbeiter zur Antwort gab: «Es ist Mai. Da wird es ja nicht zu kalt sein, draussen zu schlafen.» So lebte ich zwei Jahre als Ob- Im Wohnhuus zuhause statt auf der Strasse Fortsetzung auf Seite 3 «Ich schlief in geheizten WC-Anlagen und fuhr mit Bussen und Zügen, um im Warmen bleiben zu können.» Donato Donato hat den Dro- genkonsum und die Obdachlosigkeit hinter sich gelassen. Er hat viel durchgemacht und gelitten. Dage- gen hat er erfolgreich gekämpft. Seit acht Monaten wohnt er im Wohnhuus 2 und blickt realistisch und dankbar in die Zukunft. Hat man eine eigene Wohnung, kann man sich einrichten und sich richtig wohl fühlen. Bild: IStock