GasseZiitigLozärn dachloser. Manchmal schlief ich in geheizten WC-Anlagen, fuhr mit Bussen und Zügen, um im Warmen bleiben zu können, so lange bis ich aussteigen musste. Tagsüber war ich in der GasseChuchi. Irgend- wann hatte ich sehr viele Bussen. Das war mir sehr unangenehm. Das Leben auf der Gasse hat mei- ner Gesundheit stark zugesetzt. Ich habe mich dann beim Drop-in an- gemeldet und konnte ins Heroin- programm eintreten. Wie hast du es geschafft, die Obdachlosigkeit zu überwinden? Im Drop-in bekam ich eine super- gute Sozialarbeiterin, die mir nach und nach half, Licht in mein Le- ben zu bringen. Sie meldete mich bei den Sozialen Diensten der Stadt Luzern an. Von da aus konnte ich mich im Wohnhuus 1 des Vereins Jobdach für ein Zim- mer anmelden. Ich nahm zudem alle Angebote an, in der GasseChuchi etwas Geld zu verdienen und wartete auf eine Unterkunft. Nach meinem Einzug ins Wohn- huus 1 hatte ich die Möglichkeit, mein Leben Schritt für Schritt auf- zuräumen. Mit Hilfe der Bezugs- personen der Sozialen Dienste und vom Drop-in sowie dem Team vom Wohnhuus war ich auf gutem Weg. Hast du dann auch gearbeitet? Ich habe dann angefangen in Wol- husen in einem Beschäftigungs- programm zu arbeiten. Da ich jedoch am Abend rechtzeitig im Dropin-in sein musste, war dies nicht so günstig. Ich habe dann begonnen, in der Wärchstatt zu arbeiten. Es hat mir sehr gut ge- fallen und auch heute arbeite ich dort gerne. Mit dem wenigen Geld, das ich gut einteilen kann, ist es mir ganz wichtig, mich um meine kranke Mutter zu kümmern. Wenn immer ich kann, fahre ich zu ihr. Meine Familie ist mir sehr wichtig und besonders meine Mama, die immer für mich da war, soll nun wenn immer nötig meine Unter- stützung bekommen. Wie ging es dir gesundheitlich? Meine Werte bezüglich der Hepati- tis und der Diabetes verschlechter- ten sich immer mehr. Ich beschloss deshalb, keinen Alkohol mehr zu trinken, was ich bis heute einge- halten habe. Wie ist es nun im Wohnhuus 2? Und was würdest du den Be- wohnern des Wohnhuus 1 auf den Weg mitgeben, damit sie ihr Leben ebenso verändern können, wie dir das gelungen ist? Im Wohnhuus 2 lebt man weit- gehend selbstständig, also nicht viel anders als in einer normalen Wohnung. Man weiss aber, dass über Nacht eine Betreuungsperson da ist. Und während 24 Stunden ist eine Ansprechperson erreich- bar, an den oder die man sich wenden kann. Den Bewohnern vom Wohnhuus 1 würde ich ans Herz legen, sich von allem zu lösen, was mit der Sucht auf der Gasse zu tun hat. Wenn es ruhig wird im Leben, wird das Leben lebenswert. Es wird leichter, die guten Menschen zu erkennen, sich an Regeln zu hal- ten und in diesem Haus mit guten Menschen auszukommen. Es ist für mich einfach, auf diesem Weg weiterzugehen. Ich lasse mir Zeit, um den nächsten Schritt zu wagen. Somit kann es in einem halben Jahr oder auch erst in zwei Jahren sein, dass ich mein Leben ganz alleine meistern kann.Interview: Bea Fortsetzung von Seite 1 Im Gespräch mit Marianne Berch- told, Sozialpädagogin und Leite- rin vom Wohnhuus 1 und 2 vom Verein Jobdach und mit Rafael Egli, ebenfalls Sozialpädagoge und Mitarbeiter im Wohnhuus 1 und 2, erfahre ich, welchen Zweck diese Angebote erfüllen. Wohnhuus 1 Es gibt für suchtkranke Men- schen an der Murbacherstrasse das Wohnhuus 1. Dabei handelt es sich um ein während 24 Stunden be- treutes Wohnangebot. Auch für Menschen mit einer Drogensucht ist es wichtig, ei- nen Ort zu haben, wo sie einen Platz für sich haben und sich zu- hause fühlen. Wenn man längere Zeit im Wohnhuus 1 lebt, fördert dies die Selbständigkeit und Sta- bilisierung. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind auch finanzi- ell abgesichert durch eine Rente, das Sozialamt oder zusätzlich bis zu einem gewissen Grad durch einen Lohn. Die Angst der Vermieter Nach einer gewissen Zeit im Wohnhuus 1 ist für manche eine 24-Stunden-Betreuung nicht mehr nötig. Bereits früher haben die Leute es zum Teil geschafft, Fuss zu fassen in einer eigenen Woh- nung und ohne Betreuung. Doch wurde es für die Bewohnerinnen und Bewohner immer schwie- riger, eine Wohnung zu finden. Oftmals ist man nicht bereit, die- sen Leuten eine Wohnung zu vermieten. Die Angst, mit ihnen Probleme zu bekommen, ist zu gross, sogar dann, wenn eine Un- terstützung durch das Sozialbera- tungs-Team des Vereins Kirchliche Gassenarbeit besteht. Die Leute mussten deshalb zum Teil länger als nötig im Wohn- huus 1 bleiben. Auch sollten diese Plätze frei sein für neue Bedürftige. Willkommen geheissen Bei der Suche nach einem zweiten Wohnhuus hat die Stadt Luzern ein Haus im Rosenberg-Quartier angeboten, welches perfekt ist. Im Dezember 2014 gab es einen In- formationsabend für die künftigen Nachbarn des Quartiers. Nebst eini- gen Skeptikern kamen viele Men- schen, die sich positiv äusserten und sich hinter das Projekt stellten. Sie waren bereit, die neuen Mieterinnen und Mieter sowie das Team will- kommen zu heissen. Platz für zehn Personen Im Juli 2015 wurde dann das neue Wohnhuus 2 im Rosenberg eröff- net. Es hat Platz für zehn Bewoh- nerinnen und Bewohner. Man ist mit sechs gut vorbereiteten Mie- terinnen und Mietern in das neue Zuhause eingezogen. Bald darauf kamen noch zwei weitere dazu, so dass zurzeit acht Personen im Wohnhuus 2 zuhause sind. Sinnvolle Ergänzung Ergänzend zum Wohnhuus 1 an der Murbacherstrasse stellt das Wohn- huus 2 somit eine sinnvolle Er- gänzung und ein Sprungbrett zum selbstständigen Leben dar. Jede Be- wohnerin und jeder Bewohner hat einen eigenen Wohnungsschlüssel, lebt und sorgt für sich selbst. Keine Reklamationen Dass immer jemand von den Be- wohnerinnen und Bewohnern und zum Teil auch vom Team anwesend ist, wird wie eine grosse Familie erlebt und stärkt das harmonische Wohnverhältnis. Bis heute gab es weder Probleme noch Reklamationen von Anwoh- nerinnen und Anwohnern. Es ist niemandem etwas aufgefallen, was nicht passen sollte. Auch die Bewohnerinnen und Bewohnern fühlen sich sehr wohl im Wohn- huus 2. Es sieht so aus, dass viele Menschen alles richtig machen. Möge immer ein heller Stern über diesem Haus leuchten solan- ge es Menschen gibt, die diesen Weg suchen.Bea Seite 3 Nr. 60 Mai 2016 Warum braucht es das Wohnhuus 2? Das Wohnhuus 2 befindet sich im Rosenberg-Quartier in Luzern und bietet Platz für zehn Bewohnerinnen und Bewohner. Bild: GaZ Auch suchtkranke Menschen benötigen einen Ort, wo sie sich zuhause fühlen. Das Wohnhuus 2 ist eine sinnvolle Ergänzung zum Wohnhuus 1 und wurde vor zehn Monaten eröffnet. «Nach meinem Einzug ins Wohnhuus hatte ich die Möglichkeit, mein Leben aufzuräumen.» Donato «Nach einer gewissen Zeit im Wohnhuus 1 ist für manche eine 24-Stunden-Betreuung nicht mehr nötig.» Rafael Egli