GasseZiitigLozärnSeite 3 Nr. 63 Mai/Juni 2017 Fortsetzung von Seite 1 Nur abstrakte Bilder Bei den Bildern, die in Evas Ate- lier hängen und rumstehen, sind weder Landschaften noch konkrete Gegenstände zu sehen. Eva malt meistens mit Acryl-Farbe, ab und zu mit Öl. Sie malt auf Leinwand oder auf Holz, manchmal auf Kar- ton. «Ich male nur abstrakt. Gegen- ständliches Malen entspricht mir nicht. Ich tauche ein und schaue, was entsteht. Ich habe keine feste Vorstellung, wie das Bild am Ende aussehen soll. Es entwickelt sich. Ich steure nicht mit Absicht. Das Bild entsteht unbewusst.» «Die Bilder sind ein Ausdruck dei- ner Persönlichkeit oder deiner Le- benssituation?» «Die Bilder haben mit mir zu tun, ja. Aber ich frage mich natürlich auch, ob es andern Menschen gefällt. Ich überlege mir, ob jemand so ein Bild bei sich aufhängen würde.» «Wie lange arbeitest du an einem Bild?» «Das ist unterschiedlich. Wenn ich das Gefühl habe, das Bild sei nun fertig, lasse ich es ein paar Tage ste- hen. Es muss sich setzen. Erst später vollende ich es, indem ich ihm zum Beispiel noch mehr Konturen gebe oder eine Fläche mit einer andern Farbe ergänze. Somit ist ein Bild in meinen Augen erst nach einiger Zeit fertig. Und erst am Schluss kommt als Schutz der Firnis drauf.» Malen ist lustig «Jedes Bild ist somit ein Weg?» «Wenn man meine Bilder genau un- ter die Lupe nimmt, stellt man bei einigen fest, dass unter der sicht- baren Farbschicht bereits andere Farben sind. Manchmal übermale ich eine Fläche, weil es für mein Empfinden nun richtig ist. Mir ge- fällt es, kreativ zu sein. Ich finde Malen lustig und – das tönt jetzt vielleicht eigenartig – manchmal muss ich beim Malen lachen! Ich staune, was alles entstehen kann und wie sich etwas entwickelt. Ich mag es, wenn die Bilder farbig, lebendig und wie gesagt abstrakt sind. Interessant ist auch, wie sich die Bilder im Gegensatz zum An- fang verändern.» «Du besuchst zurzeit einen Malkurs bei der Migros Clubschule. Was lernst du da?» «Der Kurs ist sehr lehrreich. Mir macht er Spass. Ich habe unter an- derem die Möglichkeit, mit neu- en Materialien zu arbeiten. Ich habe zum Beispiel entdeckt, wie spannend es ist, mit Jute oder mit Fellstücken und anderen Materi- alien ein Bild zu kreieren. Ich hat- te vorher schon ausprobiert, wie man verschiedene Materialien mit Acryl-Farben mischen kann. Bei einem Bild habe ich einmal Kaffee- satz mit schwarzer Farbe gemischt. Das wirkt ganz speziell.» Stolz zeigt Eva das Bild mit dem eingearbeiteten Kaffeesatz. Es ge- fällt ihr, dass der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. «Ich experi- mentiere gerne», fügt Eva schmun- zelnd hinzu. Grossflächig malen «Was möchtest du noch auspro- bieren?» «Ich würde gerne grossflächiger malen. Leider kann ich mir nicht so grosse Leinwände leisten. Die sind teuer. Und sie selber aufzuspannen ist gar nicht einfach. Aber es wäre ein tolles Gefühl, auf einem riesigen Bild mit Farben und Formen zu spielen und zu entdecken, was für ein Bild daraus entsteht.» Eva freut sich, an der Vernissage am 20. Mai 2017 in der Steinen Galerie – zusammen mit ande- ren Künstlerinnen und Künstlern von der Gasse – ein paar Bilder zu zeigen und hoffentlich auch zu verkaufen. Da Eva nicht mehr lan- ge in der Ausserhofmatt sein wird und wieder nach Hause zieht, sucht sie nun ein Atelier fürs Malen. Ich wünsche ihr, dass sie bald einen ge- eigneten Raum haben wird. Und ich hoffe auch, dass Eva weiterhin viel lachen und experimentieren kann.» Mit Eva sprach Franz Zemp «Bei einem Bild habe ich einmal Kaffeesatz mit schwarzer Farbe gemischt. Das wirkt ganz speziell.» Eva «Beim Malen tauche ich ab und lasse viele Sorgen aussen vor.» Eva Am 27.10.68 wurde ich in Zürich geboren. Meine Mutter gab mich zur Adoption frei. Mit drei Mona- ten wurde ich von meinen Adop- tiveltern in eine Pflegefamilie ge- geben. Nach zwei Jahren adoptierte sie mich. 1970 bekam die Familie eine leibliche Tochter. Als ich etwa acht Jahre alt war, teilten mir meine Adoptiveltern mit, dass ich nicht ihr leiblicher Sohn war. Das hatte ich gar nicht wahrgenommen! Sie waren immer «meine Eltern» gewesen. Wie ein Mensch verbrennt … Ich schloss die Schule ohne Pro- bleme ab und machte dann die vierjährige Lehre als Elektromon- teur. Nebenbei spielte ich Fussball in Tuggen SZ. Die Lehre schloss ich mit einer 4,8 ab. Später ging ich zum Militärdienst. Da ich topfit war, wurde ich Gebirgs-Mitrailleur in Andermatt und brachte es bis zum Leutnant. Danach ging ich mit Swisscoy in den Kosovo. Dort haben wir Dinge gesehen, die «normale» Schweizer nicht zu sehen bekommen. Und ich begann Kokain, Heroin etc. zu konsumieren. Wenn man einmal gerochen hat, wie ein Mensch ver- brennt, muss man sich zudröhnen. Als ich wieder zurück in der ver- logenen Schweiz war, wurde der Platzspitz geschlossen. Ich ging zu meinem Arzt, welcher auch im Kosovo war, und bat ihn um Hilfe. Dieser musste dem Militär natürlich die Meldung machen, dass ich ein Drogenproblem hatte. So wurde ich unehrenhaft entlassen. Patriarche Eigentlich ging ich am Staatsdienst drauf. Doch erhielt ich vom Staat weder finanziell noch anderweitig Unterstützung, um wieder auf die Beine zu kommen. Mit der Hil- fe meines Vaters führte mein Weg nach Teneriffa in das Patriarche und später nach Barcelona. Lucien J. Engelmajer hatte einen Verein ins Leben gerufen, welcher Drogenabhängigen Hilfe bot. Be- troffene erhielten durch diese Ein- richtung Arbeit und neue soziale Bindungen. Die Therapie zielte auf die komplette Drogenabstinenz ab. Diese Einrichtungen gab es in Eu- ropa sowie Südamerika. Im Ausland waren die Therapien um einiges günstiger als in der Schweiz. Mein Vater kam für die ganzen Ko- sten auf. Zuletzt wurde ich in Genf einquartiert. Dort wollte die Ein- richtung mich anwerben, um nach Nicaragua zu gehen. Doch hatte ich genug von Gebieten, in welchen Krieg herrschte. Nochmals ein Absturz 1994 wieder zurück in der Schweiz arbeitete ich bis 1999 in Meilen ZH. In der Firma absolvierte ich eine Zusatzausbildung als Baulei- ter/Elektromonteur. Ich hatte alles: eine Wohnung, einen Superlohn, ein Auto usw. Doch Ende 1999 stürzte ich wieder ab. Ich begann zu dealen und hatte bald mehre- re Einbrüche am Hals. Daraus re- sultierte eine Gefängnisstrafe von einem Jahr. Nach dem Absitzen dieser Stra- fe erhielt ich in Malters bei einem Bauern einen Familienplatz. Da musste ich um 4 Uhr 30 aufste- hen und die Kühe melken. Um 8 Uhr waren wir schon besoffen. Der Bauer und ich tranken zusammen «gäbig» eine Flasche Schnaps. Ich ging dann für drei Monate zum Al- koholentzug nach St. Urban in die psychiatrische Klinik. Als ich von dort rauskam, noch- mals dasselbe Spiel: dealen, Geld beschaffen mit Einbrüchen. Nach zwei Jahren und acht Monaten Haft wieder auf freiem Fuss ging es nochmals von vorne los. Seit ich Ende 2013 aus dem Knast kam, liess ich mir nichts mehr zu Schulden kommen. Ich konsumiere höchst selten Koks. Heroin kommt nicht mehr in Frage. Es ist mir wichtig, dass ich nicht mehr delin- quiere. Ich bin wirklich dankbar, dass ich sozusagen gesund bin. In der ambulanten Massnahme muss ich noch regelmässig eine Haarpro- be abgeben. Theoretisch ohne Waffen Rückblickend kann ich sagen, dass ich nie einen Menschen gefährdet habe – ausser halt im Kosovo. Na- türlich waren wir dort zum Schutz für andere und hatten theoretisch keine Waffen; eben, theoretisch. Die Erinnerung an diese Zeit löst in mir etwas Spezielles aus. Was mir heute Hoffnung gibt, ist die Aussicht auf die Auszahlung der Pensionskasse. Ich denke, wenn ich das Geld erhalten habe, wird mich die Schweiz gesehen haben. Wohin der Weg führt? Ich habe be- reits eine Idee.Andi «Wenn man einmal gerochen hat, wie ein Mensch verbrennt, muss man sich zudröhnen.» Andi Kosovo – Knast – Kuhstall Der Militärdienst hat Andi geprägt. Bild: Michael Krobath überLeben (Betroffene berichten) Veranstaltungshinweis Andi war mit der Swiss- coy im Kosovo. Was er dort erlebte, konnte er nicht verkraften und geriet in die Abhängig- keit von Drogen. Er kam in den Knast und erhielt nachher einen Platz bei einem Luzerner Bauern, der ihn zum Alkoholi- ker machte. Jetzt will er sobald als möglich die Schweiz verlassen.