GasseZiitig Lozärn Nr. 66 Frühling 2018 4 gereicht, mit dem sie die THC-Obergrenze auf 0,2 Prozent senken will, wo sie vor 2011 lag. Die Präsidentin des Vereins Jugend ohne Drogen verweist auf die umliegenden Länder, wo nur Cannabisprodukte mit weniger als 0,2 Prozent THC legal seien. Einstiegsdroge oder harmlose Qualmerei sowie Hilfe, vom Kiffen wegzukommen? Das sei unklar, sagt Jacqueline Mennel von der Beratungsstelle Akzent: «CBD hat keine berauschende Wirkung. Wenn sich jemand berauschen will, dann nimmt er Cannabis mit THC, nicht CBD. Zudem sind CBD-Tabakersatz- produkte wesentlich teurer als Tabakprodukte, dies spricht auch eher gegen den Gedanken, dass CBD-Hanf einen Einstieg in den Tabak- und/oder Cannabiskonsum bedeutet.» Trotzdem rät Akzent vom Konsum von CBD-Hanf ab. Thomas besucht regelmässig die Luzerner Gassenküche. Er sagt: «Wenn man gerne kifft, ist man von der Wirkung schon etwas enttäuscht.» Ein anderer Klient äussert: «Ich fin- de es einen Segen, da ich oft auch gerne Cannabis ohne THC (Scheibe) rauche.» Für Andi ist klar: «Wenn Hanf, dann mit THC, sonst fahrts ja nöd i!» Und eine Erfahrung der ande- ren Art hat er zudem kürzlich gemacht. Er hat eine CBD-Zi- gi geschenkt bekommen – und wurde dabei prompt von der Polizei kontrolliert, weil diese dachte, er kiffe. Wenigstens in diesem Bereich zeichnet sich eine Lösung ab. Seit Februar 2018 setzt die Zuger Polizei auf neue Cannabis-Schnelltests. Damit kann in zwei Minuten geklärt werden, ob jemand le- gales oder illegales Marihuana bei sich hat. Auch in Luzern werden diese Tests laut «20 Minuten» eingeführt. Wann, ist noch offen. Kiffen könnte in der Schweiz doch noch legal werden. Zu die- sem Schluss muss kommen, wer die Medienberichte der letz- ten Zeit zum Thema gelesen hat. Denn im vergangenen Jahr hat der Trend zu einem milderen Umgang mit Marihuana er- neut angehalten. Ein Indiz dafür ist der Boom von CBD-Gras. Es weist einen hohen Anteil von Cannabidiol auf, welches entkramp- fend, entzündungshemmend und angstlösend wirkt. CBD- Gras weist jedoch im Unterschied zu normalem Gras einen Anteil vom berauschenden THC-Gehalt von unter 1 Prozent auf. Davon wird man nicht high – und deshalb ist es in der Schweiz legal erhältlich. In der Stadt Luzern haben in den letzten Monaten allein im Quartier Hirschmatt-Neustadt zwei zusätzliche Läden eröffnet, die sich auf CBD-Gras so- wie angeblich weniger ungesunde E-Zigaretten und Heat-not- burn-Produkte spezialisiert haben – mit denen mitunter auch gekifft wird. Weltweiter Cannabis-Trend Ein weitaus grösseres Indiz sind die 2017 national sowie weltweiten Legalisierungs-Tendenzen bezüglich Marihuana. Fast ein Drittel der Schweizer Bevölkerung über 15 Jahre hat bereits einmal Cannabis konsumiert und mehr als 220 000 Personen konsumieren es regelmässig. Ein paar Beispiele aus dem Ausland: 2018 soll gemäss der Regierung Cannabis in Kanada legalisiert werden. Uruguay erlaubt jedem Bürger pro Woche den Kauf von 10 Gramm Cannabis in der Apotheke. In den USA ist Cannabis in acht Bundesstaaten legal, in weiteren 23 ist die medizinische Abgabe erlaubt – der geschätzte Umsatz beläuft sich auf 4,5 Milliarden Franken. In Deutschland hat der Bundestag eine Gesetzesänderung beschlossen, wonach Schwerkranke Cannabis per Rezept erhalten können, wie es in diversen EU-Ländern bereits Praxis ist. Bereits wird in einer Mehr- heit der EU-Länder der Besitz von Gras nicht mehr als Straf- tat geahndet, in der Regel werden 3 bis 15 Gramm toleriert. Schweizer Beispiele aus dem Jahr 2017: Eine Umfrage von Sucht Schweiz hat ergeben, dass zwei Drittel der Bevöl- kerung einer Cannabislegalisierung zustimmen – falls der Konsum für Minderjährige und Autofahrer verboten bleibt. Der Verein Legalize it startet eine Cannabis-Legalisierungs- initiative. Die Uni Bern wollte zusammen mit Städten wie Luzern oder Basel einen Pilotversuch zum legalen Verkauf von Cannabis in Apotheken starten, das Bundesamt für Gesundheit tut sich jedoch schwer mit der Bewilligung – doch Parlamentarierinnen und Parlamentarier lassen nicht locker. Ein Bundesgerichtsurteil stützt die Haltung vieler Kantone, darunter Luzern, dass der Cannabisbesitz von un- ter 10 Gramm grundsätzlich straffrei ist. Weitere Forschung ist nötig Welche Chancen und Risiken Cannabis aufweist, ist oft eine Glaubensfrage. Aber: Eine 2017 veröffentlichte gigan- tische US-Metastudie hat die Arbeit von über 10 000 wis- senschaftlichen Fragen zu diesem Thema durchgekämmt. Fazit: Cannabis hilft erwiesenermassen bei chronischen Schmerzen, Übelkeit in der Chemotherapie, bei Multi- pler Sklerose sowie bei Jugendlichen mit ADHS. Es erhöht jedoch das Risiko für Verkehrsunfälle. Zudem leiden Kif- ferinnen und Kiffer häufiger an Lern- und Aufmerksam- keitsstörungen. Auch könnte der Konsum Schizophrenie oder andere Psychosen auslösen. «Wir brauchen Zeit und Geld für weitere Forschungen», sagt Rudolf Brenneisen von der Uni Bern kürzlich der «Aargauer Zeitung». Eine Legalisierung von Cannabis hätte für den Staat auch finanzielle Folgen. Gemäss den Initianten der Legalisierungsini- tiative könnten jährlich 200 Millionen Franken für die Strafver- folgung von Kiffern eingespart werden. Die Steuereinnahmen aus dem legalen Verkauf von Cannabis könnten jährlich 300 Millionen Franken betragen. Jacqueline Mennel von der Luzerner Suchtberatung Akzent befürwortet Abklärungen in Richtung kontrollierte Abgabe von Cannabis: «Wir stehen ein für eine Regulierung. Ein positiver Effekt wäre, dass negative Begleiterscheinungen wie Kriminali- tät und Drogenkartelle des Schwarzmarktes verringert würden.» Auch CBD-Hanf ist umstritten Zurück zum eingangs erwähnten CBD-Boom: «Cannabis-Welle überrollt die Schweiz – jetzt gibt’s Gras beim Discounter und am Kiosk», titelte der «Blick» im Herbst 2017. Und «20 Minuten» berichtete, dass sich die Anzahl der beim Bund eingetragenen CBD-Produzenten innerhalb eines Jahres von 5 auf 500 erhöht habe. Dass 2017 auch noch die Grosshändler wie Coop, Denner und der Kiosk-Betreiber Valora CBD-Produkte aufnahmen, führte tatsächlich zu einem Boom. Doch auch das Gras, das nicht high macht, ist umstritten. Toni Berthel (63), Präsident der Eidgenössischen Kommissi- on für Suchtfragen, warnte letzten Sommer, das legale CBD-Gras trage das Risiko, als Einstiegsdroge zu wirken: «Wer einen Joint dreht, der will vielleicht irgendwann auch die Wirkung spüren.» Und dass Werbeanzeigen für Denner-Gras auch auf ein junges Publikum abzielen, «die Cannabis einmal ausprobieren möchten», kritisiert Sucht-Schweiz-Direktor Grégoire Vittoz (45). «Hier wird versucht, ih- nen alternativ ein Produkt zu verkaufen, das zwar legal ist, aber schäd- lich bleibt, da es geraucht wird.» Vom Soft-Gras-Raucher zum Junkie? Betreffend Einstiegsdroge sagen einige Betroffene der Luzerner Dro- genszene, dass viele Drogensüchtige zuerst gekifft hatten, bevor sie zu hartem Stoff griffen. Würde heissen: Wenn jemand mit CBD-Gras anfängt, könnte er Lust auf richtiges Cannabis kriegen – und dann auf harte Drogen. Um speziell Jugendliche davor zu schützen, hat SVP-Na- tionalrätin Verena Herzog in der Wintersession einen Vorstoss ein- Cannabis hilft erwiesener- massen bei chronischen Schmerzen, Übelkeit in der Chemotherapie, bei Multi- pler Sklerose sowie bei Jugendlichen mit ADHS. Es erhöht jedoch das Risiko für Verkehrsunfälle. Aus einer US-Metastudie ZUR SACHE CBD als Einstiegsdroge? Kiffen wird legal? 2017 war in drogenpolitischer Hinsicht ein interessantes Jahr. Zum einen sind die Schweiz und Luzern heftig von der CBD-Gras-Welle erfasst worden. Zum anderen tut sich Spannendes an der Hanflegalisierungsfront. Eine Übersicht.