GasseZiitig Lozärn Nr. 74 Sommer 2021 5 Die Einrichtung GasseChuchi – K+A bietet psychosoziale Be- ratung, medizinische Versorgung, gesunde Ernährung, Un- terstützung bei der Lebensbewältigung sowie seelsorgerliche Begleitung im Sinne der Schadensminderung an. Seit etwas über einem Jahr wird eine stärkere Polizeiprä- senz vor der Gassenküche beobachtet. Dies ist in unseren Au- gen sinnlos, ja sogar kontraproduktiv, wie wir im Folgenden kurz darlegen. Den Nutzer*innen des Angebots wird somit der Weg zum Haus erschwert. Sie bringen den Stoff selber mit, um ihn vor Ort sauber und überwacht zu konsumieren. Viele geraten in Kontrollen und ihr «Briefli» wird beschlag- nahmt, welches sie unter unterschiedlich schwierigen Um- ständen aufgetrieben haben. Die Busse, die irgendwann in eine Haftstrafe mündet, ist die Konsequenz. Nebst dem unsinnigen Kreislauf, der stark angetrieben wird, entsteht die Situation, dass die Suchtbetroffenen keine Lust mehr haben, in die Gas- seChuchi zu kommen. Sie suchen neue, ruhigere Plätze. Die Sucht wird also durch die Polizeikontrollen nicht gestoppt. Die Kriminalität bleibt bestehen oder weist gar eine stei- gende Tendenz auf. Die Kontakt- und Anlaufstellen haben sich in den letzten Jahren in vielen Städten der Schweiz etabliert. Das Herzens- projekt, gegründet vom ehemaligen Geschäftsleiter und Seel- sorger Sepp Riedener, hat viel Elend verhindert: Ein Ort des Schutzes für die Suchtbetroffenen und für von Armut ge- zeichneten Menschen verhindert eine offene Drogenszene, der öffentliche Raum wird entlastet. Hier stehen wir tagtäglich in Kontakt mit originellen und liebenswürdigen Menschen, die sich wegen ihrer Sucht durch das Leben kämpfen müssen. Sie sind meist schon ein Leben lang immer wieder geflüchtet, jagen der Droge nach und werden von einem Schutzraum weggehalten, der ihnen eigentlich zustehen würde. Ein regelrechtes Räuber-und-Po- li-Spiel. Aber kein gespieltes und sicherlich keines mit kind- licher Spielfreude. Wir wünschen uns Akzeptanz, Toleranz und Respekt für die Betroffenen und unsere Institution. Nur weil jemand an einem anderen Ort im Leben steht, hat er oder sie kein Recht, sich als wichtiger zu er- achten als jene Menschen, die in einer Gesellschaft um das Überleben kämpfen. Wir wünschen uns Bewegung in der Suchtpolitik oder zumindest ein Gleichgewicht innerhalb der Viersäulenpolitik. Mitarbeiter*innen und Besucher*innen der GasseChuchi – K+A Da das Lager auch für das Paradiesgässli* im vergangenen Jahr aus allseits bekannten Gründen nicht durchgeführt werden konnte, war die Freude in diesem Jahr bei den Teil- nehmer*innen umso grösser, als wir uns mit dem Schiff auf den Weg nach Weggis machten, wo sich unser Lagerhaus befand. Um die Gruppengrösse in einem vertretbaren Rah- men zu halten, teilten wir die Teilnehmer*innen in zwei Gruppen auf. Die erste Gruppe war von Dienstag bis Don- nerstag im Lagerhaus und die zweite Gruppe von Freitag bis Sonntag nach Ostern. Trotz Schnee und kaltem Wetter während der ersten Hälfte der Woche erkundeten wir die Umgebung, genos- sen die gemeinsame Zeit, das kulinarisch Verwöhntwer- den durch den Lagerkoch und spielten und bastelten dabei reichlich. Während der zweiten Wochenhälfte wurde es wärmer und unsere Aktivitäten verlagerten sich vermehrt nach draussen. So konnten wir uns auf dem hauseigenen Bolz- platz austoben, bei einem Feuer die Aussicht geniessen oder beim Black-Jack-Spielen veranschaulichen, dass man mit Glücksspiel mitnichten glücklich wird. Nicht zu kurz kamen natürlich auch spannende Gespräche, die einen Einblick in den herausfordernden Alltag der Jugendlichen gewährten. Wehmütig verabschiedeten wir uns am Sonntag von dem Lagerhaus und seiner traumhaften Aussicht. Wir freu- en uns schon auf das nächste Lager! Moritz Steiger Praktikant Paradiesgässli IN EIGENER SACHE Endlich wieder ins Lager «Wir wünschen uns Bewegung in der Suchtpolitik hin zur Entkriminalisierung der Lebensweisen unserer Klientel.» Mitarbeiter*innen der GasseChuchi – K+A *Das Paradiesgässli ist Anlaufstelle für von Sucht und Ar- mut betroffene Familien. Zweimal im Jahr organisieren und begleiten die Mitarbeitenden des Paradiesgässli ein Lager, im Frühling das Kinder- und Jugendlager und im Sommer das Familienlager. 2020 sind beide Lager coro- nabedingt ausgefallen. «Mit Glücksspielen wird man nicht unbedingt glücklich.» Moritz Was ist Schadensminderung? Schadensminderung umfasst alle Strategien und Massnah- men zur Verringerung der negativen Folgen des Drogenkon- sums auf die Konsumierenden sowie auf die Gesellschaft. Seit 2008 ist sie im Betäubungsmittelgesetz verankert. Zu- sammen mit der Prävention, Therapie und Repression bilden sie die sog. Vier-Säulen- Drogenpolitik der Schweiz. Weitere Infos auf: www.infodrog.ch/de/themen/schadensminderung.html IN EIGENER SACHE Umdenken in der Suchtpolitik, eine Notwendigkeit Illustration M.S. Was für ein Ausblick! Bilder Paradiesgässli Ein Beitrag aus dem Alltag der GasseChuchi – K+A.