2 | weil sie hunderte von Stunden Gratisarbeit in den Kiosk investierte. Mit dem Ende des Kiosks verloren mehre- re Verkäuferinnen ihre Arbeit. Allen voran Heidi Baumann, seit 30 Jahren die treue Seele hinter der Verkaufstheke und eine feste Institution für viele Wäsmelianerinnen und Wäsmelianer, die früher als Kinder mit ihrem ersten Sackgeld Kaugummis und Micky Maus Hefte bei ihr kauften. „Heute ist ein trauriger Tag, plötzlich nicht mehr am frühen Morgen aufstehen und die Zeitungen für die ersten Kunden vorzubereiten, kann ich mir gar noch nicht vorstellen“, sagt Heidi Baumann. Sie geht nun in Frühpension und denkt, am An- fang werde es sich wohl anfühlen wie Ferien. 12 Jahre dabei war Marianne Planzer: „Ich mache nun erstmal Pause, danach schaue ich weiter.“ Dann nimmt sie den Blumenstrauss, welchen ihr ein Kunde mitgebracht hat, und verabschiedet sich. Madeleine Wyss, die seit dreieinhalb Jahren dabei war, arbeitet künftig im Kiosk an der Pfi stergasse. Zweite Postagentur der Schweiz Beim kleinen Abschieds-Umtrunk an diesem letzten Freitag im September ist auch Hanspeter Bissig dabei, der bis 2005 zusam- men mit seiner Frau Trudi die Wäsmeli- Drogerie im gleichen Gebäude führte. Er war es, der 1985 den Kiosk vor der Schliessung bewahrt hatte. Die damalige Schmidt-Agence wollte den Laden nach rund 30 Jahren dicht machen, doch Hanspeter Bissig handelte und übernahm das Ruder: „Ich wollte den Kiosk erhalten, damit die Leute nicht in die Stadt hinunter mussten. Das kam schlussendlich auch meiner Drogerie zugute, so blieben die Kunden im Quartier“. Später wurde die Postagentur „Luzern 10 Wesemlin“ in den Kiosk integriert, nach- dem die Post ihre Filiale auf der gegenüber- liegenden Seite der Mettenwylstrasse auf- hob. „Wir waren schweizweit die zweite Postagentur überhaupt, ein Versuchs- kaninchen. Sogar die Sonntagspresse berich- tet über den Wäsmeli-Kiosk“, erinnert sich Hanspeter Bissig. Der Kiosk habe mehreren Frauen eine Teilzeitarbeit ermöglicht, oft hätten die Kinder der Verkäuferinnen in der Mittagspause hier ihre Hausaufgaben erle- digt. Wo vorher Zeitungen, Zeitschriften und Hochglanz-Magazine zum Verkauf ange- boten wurden, warteten bei der Dernière Apéro-Häppchen auf die Kundschaft. „Apropos Heftli“, schmunzelt Heidi Baumann, „hatte es da früher auch diese mit den nicht ju- gendfreien Bildern. Die Kunden fragten dann jeweils, ob das neuste Strickheftli schon hier sei, und wir wussten sofort, was wir ihnen verkaufen mussten.“ Dass nun Schluss ist, nahmen am letzten Tag noch immer einige mit Erstaunen zur Kenntnis. So auch jener Mann, der Lotto spielen wollte. Weil die Lottogesellschaft aber die Maschine bereits am Morgen abmontiert hatte, versuchte er sein Glück vergebens. Im Wäsmeli-Kiosk soll ein Künstleratelier ein- gerichtet werden, sagt Cornelia Scherer. Und wenn im neuen Wäsmeli-Träff dereinst der neue VOI-Laden eröff net wird, ist dort eine Kiosk-Kasse geplant. Nahtlos weitergeführt wurde nach dem Ende des Wäsmeli-Kiosks die Postagentur. Seit Anfang Oktober ist diese in der swidro Drogerie Wäsmeli neben- an eingerichtet. Die Kundinnen und Kunden können somit ihre Postgeschäfte weiterhin direkt im Quartier erledigen „Sie waren toll, Frau Leuthard!“ – die Zeitungsschlagzeile zum Rücktritt der Bundesrätin auf einem Aushang vor dem Wäsmeli-Kiosk an diesem letzten Tag ist irgendwie sinnbildlich für diesen Schluss. Toll waren sie alle, die tagtäglich im Einsatz standen, auch alle anderen Kioskfrauen neben Heidi Baumann, Marianne Planzer und Madeleine Wyss. Doch das ist nun Quartiergeschichte. Urs Schlatter Noch einma l Pöstlerin: Madelein Wyss verlädt kurz vor F eierab end die letzten Pakete. Fotos: Urs Schlatter Die Quartier-Kids freuten sich: Am Schluss gab es die Süssig k eiten mit Spezialrabatt. F ortsetzu ng Titelseite