4 Obwalden / Nidwalden Die eigene Identität herausschälen Baukultur prägt Gemeinden nicht nur baulich, sondern auch kulturell. Beda Dillier aus Sarnen und Martin Mathis aus Stans sprachen über die Bedeutung von Baukultur bei der Entwicklung ihrer Gemeinden. Baukultur ist ein sehr umfassender Begriff. Welches sind für Sie die wich- tigsten Aspekte? Mathis: Es sind zwei Wörter mit zwei Bedeutungen, die zusam- men ein Ganzes geben: Im Gebäude wohnen oder arbeiten wir, es ist unser Daheim. Kultur umfasst die gesamte Umgebung, den Bevöl- kerungsmix und die Stimmung in einer Ge- meinde. Beides zusammen macht die Iden- tität eines Dorfes aus. Anders gesagt: Wir leben in dem Gebauten und durch dieses Leben prägen wir die Kultur der Gemeinde. Dass ein Dorf lebendig ist und einen guten Bevölkerungsmix hat, kann über Baukultur gesteuert werden. Das fängt beim Wohnungs- bau an und geht bis hin zur Schaffung von attraktiven Rahmenbedingungen für Läden und Gewerbe. Was ist für Stans wichtig und wohin wollen wir uns entwickeln? Dillier: Identität ist tatsächlich ein wichti- ges Stichwort. Das eher ländliche Sarnen hat beispielsweise andere Identitätsmerkmale als Stans, das für mich schon fast ein Agglomera- tionsgebiet von Luzern ist. Aus Sicht von Sarnen will man über die Baukultur dafür sorgen, dass die Siedlung nicht überbordet und eine Einheit bleibt. Es geht bei Baukultur weniger um einzelne architektonische «Leuchttürme», sondern um eine gesellschaft- liche Übereinkunft betreffend der Gestaltung von Ortsbildern und Kulturlandschaft. Dabei ist man immer wieder im Clinch, ob das Be- wahren oder das Entwickeln im Vordergrund steht – Baukultur ist eben nicht nur ein sehr umfassender, sondern vor allem auch ein politischer Begriff. In unserer pluralistischen Gesellschaft braucht es daher viel Dialog und auch Kompromissbereitschaft, um eine ge- meinsame Definition zu finden. Mathis: ... und weil Baukultur eben kein exakter wissenschaftlicher Begriff ist, wird er auch sehr subjektiv ausgelegt: Was bei einer Gestaltung «schön» ist und was nicht, emp- finden alle anders. Gibt es verbindliche Regelungen, wie Baukultur bei Planung und Entwick- lung einbezogen wird? Dillier: Sarnen hat Siedlungsbegrenzungslinien definiert, inner- halb derer die Gemeindeentwicklung statt- finden soll. Zudem kann durch vorbildliche Ausschreibungen, Wettbewerbe und gezielte Vorgaben die Qualität einer Bebauung ge- fördert werden. Vermehrt ins Bewusstsein Beda Dillier. Bild pd Beda Dillier ist Mitglied der strategischen Planungskommis- sion der Gemeinde Sarnen sowie Mitglied der Kantonalen Kultur- pflegekommission KKPK. Martin Mathis ist Gemeinderat in Stans und Präsident der Bau-/ Planungskommission. Gespprächspartner geraten ist das Inventar der schützenswer- ten Ortsbilder der Schweiz ISOS. Dieses Bundesinventar wird mehr oder weniger freiwillig nach einem wegweisenden Bun- desgerichtsurteil (Rüti 2009) in den kom- munalen Planungen berücksichtigt – Bau- kultur ist also auch ein juristisches Thema. Gibt es hier Interpretationsspielraum, wird bei uns sehr sorgfältig mittels Testplanun- gen die Bebaubarkeit gerechtfertigt. Das heisst, dass von Beginn an alle wesentlichen Player beigezogen werden: Die Gemeinde, Martin Mathis. Bild pd