4OW/NW NWSammeln als Kulturtechnik Aus den Ämtern eigenen bäuerlichen Volkskultur. Dahinter stan- den nicht zuletzt auch staatliche Amtsstellen, die im Rahmen ihrer Verwaltungstätigkeit Informa- tionen zu Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur statistisch erfassten. Aber auch Wissenschaftler wandten sich den landestypischen Sitten und Bräuchen zu, sammelten umfassende Wissensbe- stände und etablierten Vorstellungen über eine gemeinsame kulturelle Herkunft. Zunehmend wurde auch materiell gesammelt: Vor allem bäu- erliche Arbeitsgeräte und Gegenstände des reli- giösen Lebens fanden Ende des 19. Jahrhunderts als unmittelbare Sachzeugnisse Eingang in die zahlreich entstehenden Regionalmuseen. Diese Objekte dienten dazu, eine einst dominierende und nun schwindende agrarische Lebenswelt zu dokumentieren und festzuhalten. Das industrielle Zeitalter hat auch die Entste- hung von Privatsammlungen wesentlich ermög- licht und vorangetrieben. Durch die massenhafte Produktion von Gebrauchsgütern entstanden zahlreiche neue «Objektwelten», die Anreize zum Sammeln schufen. Exemplarisch für diese Ent- wicklung steht die Herstellung der ersten Alben für Briefmarkensammlungen im Jahr 1862. Tat- sächlich bildet sich in jener Zeit eine – wie es der amerikanische Kulturanthropologe James Clif- ford nennt – «gesellschaftliche Sammelmanie» aus, die bis heute anhält. Heutzutage existiert kaum eine Objektkategorie, zu der nicht irgend- wer eine Sammlung angelegt hat: Antiquitäten, Aufkleber, Autogrammkarten, Banknoten, Bier- deckel, Briefmarken, Eisenbahnmodelle, Figu- ren, Handtaschen, Kaffeerahmdeckel, Mineralien, Münzen, Postkarten, Pins, Plüschtiere, Sammel- bilder, Schallplatten, Schuhe oder Uhren – um nur einige der gängigsten Kategorien zu nennen. Am anderen Ende des Sammlungsspektrums fin- den sich Kuriositäten wie beispielsweise Plastik- säcke, Wasserpistolen, WC-Deckel oder Zahn- pasta-Tuben. Interessanterweise scheint das private Sam- meln in unseren beiden Kantonen Obwalden und Nidwalden eine Tätigkeit zu sein, die mehrheit- lich von Männern ausgeübt wird. Im Rahmen der Recherchen für dieses Kultur-Journal stiessen wir auf markant mehr Sammler als Sammlerin- nen: In Kägiswil befindet sich die Lagerhalle von Theo Kipfer mit über 200 amerikanischen Oldti- mern. Gleichenorts hütet Eduard von Wyl seine aus der halben Welt zusammengetragenen Kost- barkeiten und Kuriositäten (vgl. Artikel S. 12). Hans Ebersold beherbergt zuhause in Sarnen eine der grössten Trommel-Sammlungen Europas. In Wolfenschiessen befinden sich beim ehemaligen Pfarrer Hans Bissig zahlreiche Kunst- und Sakral- objekte, aber auch Gebrauchsgegenstände aus dem früheren Kurhaus. Und der in Nidwalden ansäs- sige Wolfgang Ruf besitzt zusammen mit seinem Geschäftspartner Martin Kamer eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen historischer Texti- lien (vgl. Artikel S. 6). Im Vergleich zu dieser ge- ballten männlichen Sammler-Gilde erscheinen die Krippensammlerin Doris Bühlmann aus Sarnen oder die Museumsgründerin Ursula Anderhalden- Fries aus Stalden (vgl. Artikel S. 9) als Ausnah- men, welche die Regel bestätigen. Cyrill Willi übernimmt die Vermittlung am Nidwaldner Museum Stefan Zollinger Cyrill Willi hat am 1. April 2022 die neue Stelle für Vermittlung und Veranstaltungen im Nidwald- ner Museum in einem 30%-Pensum angetreten. Er bringt viel Vermittlungserfahrung mit. So ar- beitete er bereits von 2008 – 2020 am Museum Aargau in der Vermittlung, ein Museum, zu dem unter anderem die Habsburg und das Kloster Kö- nigsfelden gehört. Er ist in Lenzburg aufgewach- sen und studierte in Bern Geschichte und Geogra- phie mit Schwerpunkt mittelalterliche Geschichte. 2021 machte er ein Praktikum am Nidwaldner Museum und kennt dadurch die lokalen Verhält- nisse bestens. Bisher wurde die Vermittlung im Nidwaldner Museum vorwiegend im Mandat be- treut. Das Museum bezweckt, mit der neuen Stelle ein breiteres und kontinuierlicheres Vermittlungs- angebot aufbauen und anbieten zu können. Cyrill Willi Sammeln als menschliche Kulturtechnik Enya Weibel, Marius Risi Das Sammeln von Objekten und Wissen lässt sich weit zurückverfolgen. Eine kurze Einführung in eine lange Geschichte. Die Sammeltätigkeit scheint eine im Menschen tief verankerte Eigenschaft zu sein. Die ältesten Sammlungen gehen bereits auf das alte Ägypten und antike China zurück. Der Beginn des musea- len Sammelns wird auf das 16. Jahrhundert da- tiert. Dabei galten die Sammelobjekte als Erinne- rungsträger und dienten der Kommunikation. Die weltweit älteste öffentliche Kunstsammlung soll sogar in der Schweiz entstanden sein: Bereits im 17. Jahrhundert machte die Stadt Basel die Sammlung des Amerbach-Kabinetts dem Publi- kum zugänglich. Im letzten Viertel des 18. Jahr- hunderts entwickelte sich das Interesse an der