– 2 – Schlafplätze in diesem Umfang bil- det der Rotmilan nur in den Winter- monaten, meist zwischen Oktober und Februar. In der Schweiz wur- den diesen Winter bei koordinierten Schlafplatzzählungen 37 Schlafplät- ze mit insgesamt 3710 Rotmilanen entdeckt. Das ist ein neuer Rekord. Tatsächlich nehmen die Überwinte- rungsbestände des Rotmilans in der Schweiz seit Jahrzehnten zu: Vor 1960 kam es nur ausnahmsweise zu Überwinterungen in der Schweiz. Der Rotmilan überwinterte damals fast ausschliesslich in Spanien und Portugal. 1970 wurde dann der erste Schlaf- platz in der Schweiz entdeckt und um die Jahrtausendwende überwin- terten bereits gegen 1000 Individu- en bei uns. Experten vermuten, dass die Zunahme mit den milderen Win- tern in Mitteleuropa zusammen- hängt: Geschlossene Schneedecken, welche das Erbeuten von Kleinsäu- gern über mehrere Wochen hinweg verhindern, gibt es heute kaum noch. Ein weiterer möglicher Grund für die Zunahme sind gezielte Füt- terungen durch Menschen. Viele der grossen Schlafplätze liegen nämlich in der Nähe von Fütterungsplätzen. Ein kürzlich initiiertes Forschungs- Hitchcock auf dem Littauerberg projekt der Schweizerischen Vogel- warte wird diesen Vermutungen ge- nauer auf den Grund gehen. In Littau füttert Rudolf Geisseler seit Jahren Greifvögel mit Schlacht- abfällen der Dorfmetzgerei Müller. Der naturbegeisterte Bauer legt zwi- schen September und Mitte März täglich Fleischstücke auf einer Wie- se unweit seines Hofes aus. Was dann folgt, beeindruckt selbst er- fahrene Hobbyornithologen. Die am nahen Waldrand wartenden Greif- vögel kennen die Prozedur bereits bestens. Kaum ist das Fleisch ausge- legt, schwingen sie sich in die Lüfte. Sobald der erste Mäusebussard bei der Fütterungsstelle gelandet ist, getrauen sich auch die Rotmilane an das Futter ran. Nun geht alles ziemlich wild und hektisch zu und her. Wie Mücken kreisen die zig Rotmilane über der Fütterungsstelle. Während sich die wenigen Mäusebussarde am Boden am Fleisch gütlich tun, versuchen die Rotmilane beim Vorbeifliegen aus der Luft einen Happen in Ihre Fänge zu kriegen. Nach einer halben Stunde ist der Spuk auch schon wie- der vorbei und die Milane verteilen sich in der weiteren Umgebung. Seit vier Jahren überwintert auch ein Schwarzmilan erfolgreich in der Ge- gend. Es lohnt sich also, die Milane genauer anzuschauen! Wer sich dieses äusserst eindrück- liche Schauspiel diesen Winter noch anschauen möchte, hat dazu noch bis etwa Mitte März die Möglich- keit. Während den Sommermo- naten stellt Rudolf Geisseler die Fütterung ein. Die Fütterungen er- folgen jeweils um 9 Uhr. Am bes- ten trifft man mindestens eine hal- be Stunde vorher auf dem Hof der Geisselers (Baumgarten, 6014 Lu- zern) ein und sucht den Kontakt mit dem Bauer. Dass man sich auf dem privaten Grundstück rücksichtsvoll gegenüber den Eigentümern und den Rotmilanen verhalten soll, ver- steht sich von selbst. |Sämi Wechsler Der Rotmilan ist nach Bartgeier und Steinadler der drittgrösste einheimische Greifvogel. Auf den Bäumen rund um den Hof Baumgarten in Littau warten die Rotmilane auf die nächste Fütterung. BirdLife Luzern Info Corentin Morvan Ähnliche Szenen wie in Alfred Hitchcocks Klassiker «Die Vögel» spie- len sich derzeit auf dem Littauerberg ab. Anders als bei Hitchcock ist die Situation in Littau allerdings ein faszinierendes und natürlich ab- solut ungefährliches Naturschauspiel. Gut 160 Rotmilane versammeln sich hier, um gemeinsam zu nächtigen. Rotmilane umschwärmen den Fütterungs- platz in grosser Zahl. Corentin MorvanCorentin Morvan Nr. 1/15, März 2015