Eine Jerusalem-Reise im Jahr 1583
Im Mai des Jahres 1583 begeben sich fünf Luzerner Bürger auf Pilgerfahrt nach Jerusalem. Auf dem Weg durch die Innerschweiz schliessen sich ihnen weitere Mitreisende an, bis die Gruppe schliesslich elf Personen umfasst. Mehrere von ihnen verfassen nach der Heimkehr Reiseberichte, so dass der Ablauf ihrer nicht ungefährlichen Reise noch heute in vielen Einzelheiten nachvollziehbar ist.
In den Reiseberichten spiegelt sich die unterschiedliche Lebenssituation ihrer Verfasser. Rudolf Pfyffer von Altishofen, ein Oberst, Ritter vom Heiligen Grab und Ritter vom goldenen Sporn, hinterlässt seiner Familie einen repräsentativen Pergamentband. Die Schrift (teils in Goldtinte) dürfte von einem professionellen Schreiber stammen, und die zahlreichen Illustrationen wurden in der renommierten Luzerner Werkstatt von Franz Fallenter angefertigt. Inhaltlich bietet Pfyffer vor allem Beschreibungen von Kirchen und Reliquien, auch einige Wundergeschichten und Gebete. Über die Ereignisse der Reise erfährt man von ihm dagegen fast nichts. Nicht einmal seine eigene Erkrankung und den Tod seines Cousins auf der Rückreise in Zypern erwähnt er.
Davon und von vielen anderen Einzelheiten berichtet der jüngste Teilnehmer der Reise, ein 23-jähriger Wundarzt namens Johannes von Laufen. Aus Geldmangel war er gezwungen, an der Jerusalemfahrt als Diener teilzunehmen, wie in seinem Bericht zu lesen ist: «Alls sich die herren pilger … zuo diser säligen reiß und pilgerfart bereitetend … treib mich die begird, ouch mittzefaren und alls ein diener mich der gesellschafft zuo undergeben, sittenmal es mines vermögens selbiger zytten nitt wol war, ein solches in minem kosten zuo verrichten.» Einen weiteren Teil der Finanzierung übernimmt sein bekannter Halbbruder Renward Cysat, dessen Porträt noch heute in der Zentralbibliothek Luzern zu sehen ist. Zum Dank bringt Johannes ihm Devotionalien und Kuriositäten mit: in Holzkreuze und -herzen gefasste Reliquien, Gotteslamm-Figuren und Rosenkränze, einen Zedernapfel vom Berg Libanon und Baumwollkapseln aus Zypern. Seine Darstellung der Reise ist äusserlich unscheinbar, inhaltlich aber sehr lebhaft und anschaulich gestaltet. Sie enthält zudem viele praktische Hinweise für zukünftige Pilger. Trotzdem scheint es dem Verfasser offenbar ungehörig, als unerfahrenster und rangniedrigster Teilnehmer überhaupt das Wort zu ergreifen. Er entschuldigt sich dafür mehrfach.
Ein weiterer Pilger, Peter Gisler aus Uri, scheint diesen Bericht jedenfalls geschätzt zu haben. Er verfasst einen Zusatz in ähnlichem Stil wie Johannes. Sein höherer Rang erlaubt es ihm aber, deutlich selbstbewusster aufzutreten. Peter Gisler schildert das Schicksal eines Teils der Gruppe, der sich auf der Rückreise von den anderen getrennt hat. Zuletzt reiste er allein, nachdem sein italienischer Reiseführer bei einem Raubüberfall «der statt zuo floch und by ime bestuond wie ein haß by der trommen». Überfälle und Schutzgelderpressungen hatten die Pilger auf ihrer Jerusalemfahrt regelmässig erlebt, doch diesen Vorfall beklagt Gisler besonders, «sittenmal weder ime noch der gantzen gesellschafft uff der Christen erdtrich derglychen sonst nie beschehen».
Die Abenteuer der Pilger auf ihrem Weg ins Heilige Land und zurück sind im Band «Luzerner und Innerschweizer Pilgerreisen zum Heiligen Grab in Jerusalem vom 15. bis 17. Jahrhundert» von Johannes Schmid nachzulesen. Weitere Eindrücke und Gedanken finden sich noch ungedruckt in zwei Handschriften in der Sondersammlung der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern (Pp.78.fol. und P.254.4).
Dörthe Führer, 30. Juni 2025