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Gasseziitig Lozärn (Winter 2023 / Nr. 82)

Zugriffsbeschränkung

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Nutzungslizenz

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Deskriptive Daten

fullscreen: Gasseziitig Lozärn (Winter 2023 / Nr. 82)

Zeitschrift

Titel:
Gasseziitig Lozärn
Sammlung:
Luzerner Stadt- und Quartierzeitungen
Dokumenttyp:
Zeitschrift
Erscheinungsort:
Luzern
Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern
Signatur:
Z.d 116
F1.pa 144
H 132

Zeitschriftenband

Titel:
Gasseziitig Lozärn
Sammlung:
Luzerner Stadt- und Quartierzeitungen
Dokumenttyp:
Zeitschriftenband
Erscheinungsdatum:
2023
Bandzählung:
Winter 2023 / Nr. 82
Permanente ID:
ark:/63274/zhb1474zb

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Gasseziitig Lozärn
  • Gasseziitig Lozärn (Winter 2023 / Nr. 82)

Volltext

Illustrationen von Wiliam 
Leila (43) hatte schon einige Jobs: Sie war unter anderem 
im Telefonmarketing tätig und hat auf einem Bauernhof 
gearbeitet. Der Betrieb hatte sektiererische Züge, sie fühlte 
sich ausgenutzt und vereinsamte. Leila rutschte, nachdem 
sie fünfzehn Jahre lang clean gewesen war, in die Drogen ab. 
Seit etwa sieben Jahren hat sie einen neuen Job: sie bettelt. 
«Ich habe dabei gelernt, Leute anzusprechen», erklärt Leila 
nüchtern ihr Jobprofil. 
Leila heisst im richtigen Leben anders, wie auch Ivo 
(44), Felipe (48) und Rolf (61), die anderen Protagonisten in 
diesem Text. Trotz eines De-facto-Bettelverbots, das zurzeit 
wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Men- 
schenrechte (EGMR) aufgeweicht werden soll, gehören sie 
zum Luzerner Strassenbild, sie, die Randständigen, die uns 
Normalos herausfordern. Aber was heisst hier Rand – und 
was ist noch normal? Wenn Bettelnde ihrem «Job» nach- 
gehen, stehen sie in der Mitte, und wir suchen nicht selten 
reflexartig den Rand des Raumes, den Ausgang. Bettelnde ha- 
ben – bei allen Problemen und bei aller Not – das «Privileg», 
dass sie selber nicht in Entscheidungsnot sind. Sie können 
uns dabei zuschauen, wie wir mit uns ringen. Bettelnde sind 
Performende, die uns, dem Publikum wider Willen, den Spie- 
gel vorhalten. 
Was Leila dabei sieht, ist lange nicht immer schön: «Viele 
drücken ihre Tasche enger an ihren Köper», beobachtet sie. 
Sie hätten Angst vor Diebstahl oder grenzten sich ab. Die 
negativen Reaktionen von Passant:innen reichen von Kopf- 
schütteln und Augenverdrehen bis zu Beleidigungen und Ag- 
gressionen. Felipe, einem sensiblen Mann, für den das Betteln 
einen grossen Stress darstellt, ist ein Beispiel noch besonders 
unselig in Erinnerung: «Ein Mann fragte mich, ob ich statt Geld 
etwas essen wolle. Ich sagte: ‹Ja, gerne.› Dann standen wir mit 
etwas zu trinken und einem Sandwich in der Coop-Schlange. 
Plötzlich rief er einer Frau in der Schlange laut zu, dass er halt 
grad mit diesem Mann einkaufen müsse, weil er ihn auf der 
Strasse angebettelt habe.» Felipe war völlig blossgestellt. 
Auch Ivo kennt dumme Sprüche, wenn er betteln, oder, 
wie man auf der Gasse auch sagt, mischeln geht. Dabei scheint 
er die Rolle des Störenfrieds aber durchaus auch zu mögen: 
«Ich spreche gerne gerade die an, die nichts geben wollen. Es 
geht mir nicht nur ums Geld. Ich will Denkanstösse geben, dass 
sie sich mit dem Thema Armut auseinandersetzen. In Armut 
fallen, das kann schliesslich jeder und jedem passieren.» Ivo 
beobachtet, dass Menschen besonders dann abschätzig rea- 
gieren, wenn sie in Gruppen auftreten, insbesondere jüngere. 
Der Gruppendruck verleite zu demonstrativer Coolness und zu 
schäbigen Reaktionen. 
Wahr ist aber auch: Viele Menschen lassen sich von Betteln- 
den berühren, halten inne und spenden. Rolf hat beim Betteln 
grundsätzlich positive Erfahrungen mit den Menschen gemacht. 
Es komme vor, dass Passant:innen zuerst an ihm vorbeigingen, 
bisweilen sogar aggressiv, dann aber zurückkehrten und etwas 
spendeten: «Ich sitze einfach da, ruhig und anständig. Die Leute 
überlegen es sich dann aufs Mal anders.» Rolf ist die Konstanz 
in Person: Er bettelt schon seit fast zwanzig Jahren, schon lange 
am gleichen Platz. Sein Ruf habe sich wohl herumgesprochen, 
glaubt er. Oft kämen auch Familien und schickten ihre Kinder an 
seinen Stammplatz, um ein Geldstück in sein Täschli zu werfen. 
Junge Menschen reagieren mit Daumen hoch auf die sphärische 
GasseZiitig Lozärn    Nr. 82    Winter 2023 
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Naturmusik, die leise aus seinen Böxli ertönt. Nicht alle haben so 
positive Erfahrungen gemacht. Felipe unterscheidet Gruppen, die 
eher zu spenden bereit seien, als andere: «Vor allem Menschen, 
die selber wenig haben. Und mehrheitlich Frauen, die sind einfach 
sozialer.» Leila erkennt nicht wirklich ein Muster beim Spenden- 
verhalten: «Ich täusche mich oft.» Das Wesentliche, also auch die 
Bereitschaft der Menschen, auf sichtbare Not zu reagieren, ist in 
ihren Augen unsichtbar. 
Leila, Felipe, Ivo und Rolf haben alle schon unverhoffte 
Grosszügigkeit erlebt: so bei einem Mann, der zwar kein Kleingeld 
bei sich hatte, aber zusammen mit Felipe zum Bancomaten ging und 
50 Franken herausliess. Oder bei einer Grossspende von 200 Fran- 
ken für Rolf, der bei garstigem Wetter stoisch an seinem Stamm- 
platz ausharrte. Oder auf einer Restaurantterrasse, als ein Mann, 
deren Tochter Ivo als Kleinspenderin bekannt war, mehrmals hin- 
tereinander wie ein Zauberer grosse Noten aus dem Portemonnaie 
zog und ihm übergab. Die Zirkus-Szenerie mit den glitzernden 
Nötchen war Ivo fast unangenehm. Schliesslich ist das Geld für 
die Bettelnden auch nur die halbe Miete. Sie sind froh um jeden 
Menschen, der sie nicht ignoriert und ihnen ansatzweise auf Au- 
genhöhe begegnet. Wenn Passant:innen etwas zu essen statt Geld 
geben, ist das den Bettelnden meist recht. Auch Gespräche blei- 
ben haften: «Da war einmal eine Frau, die eine Adresse gesucht 
hat», erinnert sich Felipe. «Ich konnte ihr helfen. Sie hat dann 
auch recht viel von sich erzählt, das war schön.» Rolf weiss, dass 
er von vielen Menschen als Stadtoriginal geschätzt wird. Jetzt, da 
er sich wegen Gleichgewichtsstörungen einer Operation unter- 
ziehen musste und ausser Dienst ist, fällt seine Abwesenheit auf: 
«Ich habe gehört, dass mich die Leute von der Bäckerei neben 
meinem Plätzchen vermissen», schmunzelt Rolf. 
Bettelnde lösen die ganze Bandbreite von Vertrauen bis 
Misstrauen in Menschen aus. Wie in jeder Beziehung bricht 
manchmal mit der Zeit das Eis. Man müsse wie in jeder Ge- 
schäftsbeziehung «Vertrauen aufbauen», so Ivo. So fragte er 
einen Mann mehrmals erfolglos nach Münz, bevor ihm dieser 
plötzlich etwas zu essen brachte. «Die Menschen testen dich», 
weiss Rolf und berichtet von Situationen, bei denen er im Laden 
etwas zu essen kaufen sollte, aber danach noch Geld obendrauf 
bekam, quasi als Belohnung für die gute Führung. Und dann ist 
da natürlich noch die Frage nach dem «Wofür?». Die Suchtbe- 
troffenen beantworten sie, wenn sie denn kommt, unterschied- 
lich. Felipe und Leila sind ehrlich, sie können nicht anders, 
was ihnen mehr Misstrauen einbringt, manchmal aber auch 
Respekt. Ivo rückt sich meist eine Strategie zurecht, überlegt 
sich, was er braucht, zum Beispiel neue Schuhe, und sammelt 
dann dafür – was immer stimmt, aber manchmal auch nur die 
halbe Wahrheit ist. Rolf nannte auf Anfrage früher Prioritä- 
ten: «Zuerst sammle ich für etwas zu essen, das andere kommt 
dann nachher noch.» Heute schweigt er. 
Remo Wiegand 
freischaffender Journalist 
Bargeld-Problem 
Betteln ist deutlich weniger lukrativ als früher. Ein Grund: 
«Seit der Corona-Pandemie haben die Leute viel weniger 
Bargeld bei sich», weiss Ivo. Das führt unter anderem dazu, 
dass Bettelnde ungehemmter halböffentliche Orte wie Re- 
staurantterrassen aufsuchen, um das benötigte Geld doch 
noch zusammenzubekommen. Müssten die Bettelnden mit 
der Zeit gehen und zum Beispiel die Möglichkeit von Twint- 
Spenden anbieten? Ein stadtbekannter Strassenmusiker 
akzeptiert zum Beispiel bereits Twint-Zahlungen. Auch Ivo 
hat darüber nachgedacht. Aber: Momentan hätte er kei- 
nen Ausweis. Ohne den ist eine Twint-Registrierung nicht 
möglich. Ausserdem kann man privat mit Twint nur von 
Telefonnummer zu Telefonnummer spenden, womit der 
Persönlichkeitsschutz beeinträchtigt ist. Vorderhand ist 
Ivo somit wie die anderen Bettelnden auf Bargeldspenden 
angewiesen. Übrigens: Für diese möchte Ivo allen Spende- 
rinnen und Spendern seinen Dank aussprechen. 
ÜBER LEBEN 
Betteln: Unsere tägliche 
Entscheidungsnot 
Ich gehe auf einen Bettler zu. Mein Kopfkino springt an: Abwehrreflexe,   
Misstrauen, Mitgefühl. Doch wer bin ich eigentlich gleichzeitig für den Bettler? 
Wie nehmen Bettelnde uns Spendende und Passant:innen wahr?   
Klar ist: Sie holen alles aus uns raus, vom Besten bis zum Schlechtesten. 
«Wenn Bettelnde ihrem 
‹Job› nachgehen, stehen sie 
in der Mitte, und wir 
suchen nicht selten reflex- 
artig den Rand.» 
Remo Wiegand ALLERHAND
	        

Institution

 
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