Greetings from Lucerne

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Fotoprojekt 2 Der Charme von Grau Der Charme von Grau bricht mit dem aus Hochglanzprospekten bekannten touristischen Stadtbild. Statt die typischen Wahrzeichen bei sonnigem Wetter und perfekten Lichtverhältnissen zu zeigen, wird das herbstliche und winterli- che Ambiente genutzt, um Luzern explizit in grauem Gewand abzulichten. Dabei wird die Idee eines Stadtspaziergangs verfolgt, der reduzierte, zurück- haltende Ansichten Luzerns hervorbringt. Der Rundgang führt an beiden See- ufern entlang und zeigt mit verwinkelten Gässchen, Betonflächen oder dem Bergpanorama ein monochromes und doch wildes Luzern. Jede fotografische Aufnahme, so Holzwarth ( 2013: 8 ), löst das Abgebilde- te aus seinem Kontext heraus und evoziert damit eine Bedeutungsverände- rung. Diese Entkontextualisierung wird mit dem Fotoprojekt durch eine Anony- misierung des Fotografierten noch gesteigert. Die raue, neblige und graue Atmosphäre führt zu einer Reduzierung des Erkennbaren. Zugleich verschleiert der Nebel die Bildinhalte und ermöglicht dadurch die Erweiterung der individu- ellen Imagination. Somit zeigen die Bilder auf ihre Art, dass Luzern auch in der dunklen Zeit des Jahres einen ganz eigenen Charme versprüht : still, farblos, menschenleer, eintönig und doch mystisch. Nicht zuletzt führt die Entkontext- ualisierung des Bildinhalts dazu, dass die Motive ortsungebunden funktionie- ren. Sie ähneln dadurch verborgenen Geheimnissen – nur wer mit der Stadt vertraut ist, kann sie trotz der Re du zierung des Erkennbaren auf den Bildern identifizieren. Projektteilnehmende : Julia Eberle & Karla Gretenkord Greetings from Lucerne Alternative Stadtansichten im Postkartenformat Projektidee und -leitung: Sebastian W. Hoggenmüller (Medien- und Kom- munikationssoziologe) & Felix Amsel (freiberuflicher Fotograf) Text : Sebastian W. Hoggenmüller Fotografien der Stadt Luzern werden stets mit Blick auf bereits bestehende Stadtfotografien produziert und wahrgenommen. Das Wissen um jene Bild- bestände und Bilderfahrungen führt zur Wiederholung und zum Wiederer- kennen der immer gleichen Bildmotive und typischen Perspektiven : Luzern wird als touristisches Motiv gezeigt und gesehen, als idyllische Stadt am See mit Bergpanorama. Das Projekt Greetings from Lucerne. Alternative Stadtansichten im Postkartenformat hinterfragt diese routinisierten Foto- praktiken und etablierten Sehgewohnheiten und verhandelt sie in den Spannungsfeldern von Vertrautheit und Fremdheit, Alltag und Nichtalltägli- chem, Wissenschaft und Kunst. Mit dem Ziel, sich von jenen eingeschliffenen, geradezu selbstver- ständlichen visuellen Handlungen und Sehgewohnheiten zu distanzieren, begaben sich die Projektteilnehmenden mit der eigenen Fotokamera auf die Suche nach alternativen Stadtansichten und unbeachteten Stadtmor- phologien. Im eigenen fotografischen Handeln galt es, die vertraute Hei- mat – in Anlehnung an Helmuth Plessner ( 1982 ) – mit anderen Augen zu sehen. Greetings from Lucerne. Alternative Stadtansichten im Postkartenfor- mat basiert auf einem soziologischen Masterseminar, das unter dem Titel Eigenhändig fotografieren, eigenständig forschen? im Herbstsemester 2020 an der Universität Luzern von den beiden Projektleitenden im Co- Teaching durchgeführt wurde. Die Kernidee dieser Lehrveranstaltung be- stand darin, soziologische Forschung erkenntniserweiternd mit Arbeitswei- sen der Fotografie zu verbinden. Von besonderer Bedeutung war dabei die Frage, inwiefern sich mittels des reflektierten Einsatzes von Fotokameras der alltägliche Blick und die Deutungsroutinen des Alltags derart systema- tisch irritieren lassen, dass neue Perspektiven auf die Luzerner Wirklichkeit geschaffen werden können. Darüber hinaus galt es, die Fotografie als visu- elles Medium zu reflektieren, ihr Verhältnis zur Wirklichkeit zu diskutieren und ihre Rolle in der soziologischen Forschung zu evaluieren. In dieser spezifischen Konzeption orientierte sich das Seminar an den Prämissen einer qualitativ ausgerichteten Sozialforschung im Allgemeinen, die « für das Neue im Untersuchten, das Unbekannte im scheinbar Bekannten offen [ ist ] » ( Flick et al. 2003 : 17 ), und an der Programmatik einer Ästhetischen Soziologie im Besonderen, die darauf zielt, ein « produktives Miteinander von künstlerisch-gestalterischem Handeln und kognitiver Reflexion zu erzeu- gen » ( vgl. Hoggenmüller 2016 : 11; systematisch ausgearbeitet 2022 ). Im Anschluss an das Masterseminar formierte sich eine aus elf freiwilli- gen Seminarteilnehmenden und den beiden Dozierenden bestehende Ar- beitsgruppe. Über den Zeitraum eines Jahres arbeitete diese Gruppe an der Aufbereitung der Forschungsergebnisse sowie an der Konzeption und Umsetzung der vorliegenden Publikation : einer Box mit mehreren fotoeth- nografischen Bildreihen im Postkartenformat und einem Faltblatt mit theo- retischen Ausführungen zu den sechs Einzelprojekten. Diese ungewöhnliche Form der Publikation visueller Forschungsergeb- nisse im Postkartenformat soll dafür sorgen, dass die realisierten Fotogra- fien des Luzerner Alltags ihren Weg zurück in den Stadtalltag und über dessen Grenzen hinaus finden. Soziologische Forschung an der Universi- tät Luzern, so der programmatische Gedanke, soll nicht nur Gesellschaft untersuchen, sie soll auch gesellschaftlich sichtbar sein. Tragen auch Sie dazu bei, etablierte (Bild-)Realitäten herauszufordern, und versenden Sie Greetings from Lucerne. Alternative Stadtansichten im Post- kartenformat. Fotoprojekt 3 Luzern vor dem Spiegel Die berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt Luzern ausschliesslich durch Spiegelungen zum Ausdruck zu bringen, ist die Absicht des Projekts Luzern vor dem Spiegel. Die besondere Herausforderung besteht darin, zwei Gegensätze in den Bildern zu vereinen : einerseits die Distanzierung vom Gewohnten, andererseits das Einbinden des Gewöhnlichen. Gewöhn- lich ist das, was alle kennen – es sind die Aushängeschilder einer Stadt, die tagtäglich auf stets ähnliche Weise abfotografiert werden. In diesem Projekt werden die Sehenswürdigkeiten Luzerns explizit zum zentralen Motiv gemacht, jedoch auf eine Weise, die mittels optischer Spiegelungen mit den natürlichen Sehgewohnheiten bricht. Als Inspirationsquelle dient hier im Speziellen der US-amerikanische Fotograf Lee Friedlander. « Seine Blickwinkel, mal durch den Rückspiegel eines Autos, mal wie zufällig, ma- chen stets eines deutlich : Es ist immer nur ein bewusst gewählter Aus- schnitt der Realität, den wir sehen, nicht Realität selbst. » ( Böhringer 2010 ) Bei Spiegelbildern handelt es sich um einen selektiven und auf einer Oberfläche reflektierten Ausschnitt der Wirklichkeit, während die spiegeln- de Oberfläche selbst als Leinwand für das inszenierte Bild dient. Eine wei- tere Besonderheit von Spiegelungen besteht in der Flüchtigkeit der Refle- xion : Ein Spiegelbild ist nur so lange existent, wie man sich vor der Spiegelfläche befindet. Gerade Denkmäler lassen sich unter anderem da- durch charakterisieren, dass sie seit Langem an Ort und Stelle stehen, be- ständig und unverändert die Zeit überdauern. Fotografiert man das Denk- mal aber über eine Spiegelfläche, sorgt die Flüchtigkeit der Reflexion dafür, dass das eigentlich statische Motiv dynamisiert wird. . Projektteilnehmende: Remo Infanger & Corina Wirz Fotoprojekt 1 Die Unalltäglichkeit des Alltäglichen Das Interesse des Fotoprojekts Die Unalltäglichkeit des Alltäglichen gilt Orten, die als Durchgangs- oder Zwischenorte charakterisiert werden können. Diese scheinbar banalen Räume stellen, so die grundlegende These, einen soziolo- gisch reichhaltigen und interessanten Untersuchungsgegenstand dar – ganz im Sinne Michel Foucaults ( 2005: 10 f. ), der die Relevanz der Untersuchung von « Gegenräumen » für das Verständnis gesellschaftlicher Prozesse hervor- hebt : « Ich träume nun von einer Wissenschaft […], deren Gegenstand diese verschiedenen Räume wären, diese anderen Orte, diese mythischen oder rea- len Negationen des Raumes, in dem wir leben. » (Ebd.: 11 ) Im Zentrum des Projekts steht dabei der Aspekt der Alltäglichkeit jener Durchgangs- oder Zwischenorte, die im Gegensatz zu den etablierten post- kartenkonformen Abbildungen der Stadt Luzern normalerweise nicht sichtbar gemacht werden. Die fotografische Praxis als Forschungsmethode erlaubt es, diese Räume in den Blick zu rücken. So soll zum Nachdenken angeregt wer- den, welche Orte und Menschen zu einer Stadt gehören, wer sie repräsentiert und wer daran beteiligt ist, sie zu prägen. Mit diesem Grundgedanken knüpft das Projekt an die Theorie der sozialen Stadtentwicklung an, die Henri Lefeb- vre in Le droit à la ville entwickelt. Lefebvre fordert eine « integrale Theorie der Stadt und der urbanen Gesellschaft » ( Lefebvre 1967: 35 ; eigene Überset- zung ), die voraussetzt, dass der urbane Raum als Spiegel der Gesellschaft fungieren soll. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel, durch die fotografische Dokumentation dieser alltäglichen Orte ihre Relevanz zu betonen und somit gewissermassen ihre « Unalltäglichkeit » hervorzubringen. Die diversen Lebens- räume der Stadtbe wohner*innen werden auf diese Weise visualisiert und als Teil der Stadt Luzern valorisiert. Projektteilnehmende : Vanja Szabo & Leandra Zumbühl

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Institution

 
Zentral-und Hochschulbibliothek Luzern

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