Sentipost Nr. 3/2021 (3/2021)
Deskriptive Daten
Deskriptive Daten
- Titel:
- Sentipost Nr. 3/2021
- Erscheinungsdatum:
- 2021
- Permanente ID:
- ark:/63274/zhb1sm51
- Sammlung:
- Luzerner Stadt- und Quartierzeitungen
- Lizenz:
- In Copyright 1.0
Volltext
RÜCKBLICKsentipost
nr.
3/21– 3 –
In die Welt hinaus
und zurück
von Urs Häner
Der jüngste Kunstspaziergang im Quar -
tier führte mich zur Galerie APROPOS.
Seit 50 Jahren hatte dort Ruedi Schill
einen kleinen feinen Kunstort gehütet.
Weil Ruedi vor einem Jahr verstorben ist,
hat seine Partnerin Monika Günther an
diesem Ort eine anschauliche, immer wie -
derwechselnde Hommage für sein reich-
haltiges Schaffen gestaltet. «Weisst du»,
sagt sie mir, «die Kunstform der Per for -
mance, die mich mit Ruedi zusammen-
brachte, hat etwas Flüchtiges. Und das
will ich in dieser Ausstellung zwischen
seinem Todestag und seinem Ge burts tag
aufscheinen lassen.» Fast jede Woche
wech selten also die Exponate und traten
in vielfältiger Weise ins Gespräch mitein-
ander und mit den Betrachtenden.
Angefangen hatte Ruedi Schill mit sol-
cher ‹Kleinkunst› noch im technischen
Büro der Druckerei Schill & Cie., wo er in
der Leitungscrew war. Zu den ersten Aus -
stellenden gehörten Ernst Buchwalder
und Leo Walz, beides bekannte Namen
im Quartier. Die Resonanz in der Presse
war gut, bald liess Ruedi die Garagen um-
bauen, denn «Autos brauchen keine Hei -
zung». Und so wurde in grosser Treue
und Sorgfalt seit 1973 die jetzige Klein -
galerie bespielt.
Ruedi Schill experimentierte mit ganz
ver schiedenen Formen der Kunst: Mail-
Art, Stamp- Art, Audio-Art, T-Shirt-Art,
Land- Art. Die Projekte brachten ihn mit
Kunstschaffenden aus aller Welt zusam-
men, man schickte sich Kunstwerke hin
und zurück, Ruedi wurde eingeladen und
lud ein. Und aus den Land-Art-Projek-
ten erwuchs dann seine Affinität für die
Kunst form Performance. 1979 kam es im
Kunstmuseum Luzern zu seinem ersten
Auftritt («Die geheimen Wünsche des
Jünglings von Marathon»), weitere folg-
ten, bald in aller Welt. So wurde er bei-
spielweise auch nach Havanna eingeladen
– in der Gedenkausstellung stand einige
Zeit eine Holzkiste (für die Utensilien)
mit der Aufschrift «artistas europeos en
Cuba».
Schon länger waren der Performer Ruedi
Schill und Monika Günther, die damals
im Ruhrgebiet lebte und quasi die einzige
Performerin dort war, aufeinander auf-
merksam geworden. Sehr dezent sei die
Kontaktaufnahme damals erfolgt, schil-
derte Monika die Anfangszeit: Er habe
sich offenbar ihre Adresse geben lassen,
und nach Monaten sei dann eine erste
Karte gekommen …wobei die Zeilen dann
so wirkten, als seien sie sich längst ver-
traut. 1995 gestalteten sie ihre erste ge -
meinsame Performance, später gründe-
ten sie gemeinsam das Giswiler Perfor -
man ce-Festival und führten es zwölfmal
durch. Beide wurden dann auch Dozie -
ren de an der Hochschule Gestal tung und
Kunst (heute HSLU Design & Kunst).
In den 1990er-Jahren kam es für Ruedi
undfür die Galerie APROPOSzu einer
doppelten Zäsur: Einerseits sollte nach
einem Handwechsel der Druckerei das Ge -
bäudeabgerissen werden, und anderer-
seits verlor Ruedi als bald Sechzig jähriger
noch seine Anstellung im grafischen Ge -
werbe. Monika Günther erzählt, dass sie –
als Fanal ge gen den drohenden Abriss –
die Glasfront der Galerie zusammen mit
Leo Walz mit Backsteinen zu mauerte.
«Alsdann dank neuen Plänen des neuen
Käu fers doch eine Fortführung möglich
wurde», fügt Monika lachend bei, «muss -
ten wir als Erstes diese Mauer wieder weg-
spitzen.» Eine Performance wie ausdem
Leben gegriffen …
In den letzten Jahren wurden den beiden
die Performances zu viel, zumal sich auch
der Gesundheitszustand von Ruedi ver-
schlechterte. Aber viele schildern, dass es
mit den interessanten und anregenden
Tischgesprächen immer weiterging, die
Woh nung sei stets eine Art Labor mit
Asso ziationen zu x Gegenständen und y
Zetteln an den Wänden gewesen. Ruedi
war ein Meister der präzisen Beobach -
tung und der Schaffung von Relationen
zwischen scheinbar Zusammen hang lo -
sem. Und bei APROPOSgab es weiterhin
vier Ausstellungen pro Jahr (weil die bei-
den jetzt ganzjährig da waren und nicht
immer auf Tournee in der Welt, wurde das
sogar einfacher). Monika will dieses Erbe
weiterführen, der nächste Künstler wird
Claude Sandoz sein, und für 2022 hat sie
bereits vier Zusagen.
Am 31. Juli jährte sich der Todestag von
Ruedi Schill (am 18. Juni wäre er 80 ge -
wor den). Und so schloss sich ein doppel-
ter Kreis, als zu diesem Datum Monika
Günther neben einer eigenen Performan -
ce vor der Galerie APROPOSfrühe Texte
von ihm aus den 1970ern vortrug, um den
geliebten Partner nochmals in lebendige
Erinnerung zu bringen.
Claude Sandoz
‹Turquoise Dream›
Usbekistan 2011
Installation
27. August bis 25. September 2021
APROPOS
Sentimattstrasse 6, 6003 Luzern
Do 17–19 Uhr | Fr/Sa 16–18 Uhr
Oben: APROPOS,Juli 2021; Foto: Rob Nienburg
Rechts: Ruedi Schill 1994 in der Galerie
am Staudenhof Potsdam; Foto: Monika Günther
50 Jahre Galerie APROPOSund 80 Jahre Ruedi Schill (Kunst im BaBeL-Quartier IV)
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