Kunis Heilung
Deskriptive Daten
Deskriptive Daten
- Titel:
- Kunis Heilung
- Urheber*in:
- Zahn, Ernst
- Erscheinungsdatum:
- [1923]
- Verlag:
- Schriftenvertriebsanstalt
- Permanente ID:
- ark:/63274/zhb1cx0z
- Umfang:
- 16 Seiten
- Sammlung:
- Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern
- Lizenz:
- Public Domain Mark 1.0
Volltext
Kunis⸗ßHeilung
Von Ernst Zahn
Zwyssig-Melks Kuni wollte sterben.
Sie hatten das achtzehnjährige Mädchen vor die Hütltke ge—
tragen, daß es wieder einmal die kühle, duftende Heualpluft atme
und des Herrgotks sonnkägliche Sonne fühle, aber sie mußten jetzt
8 mikten im Juli Kissen und Decken herbeischleppen; Kuni fröstelle.
Es war hark, so jung und auf dem gesegneten Erdenfleck da oben, der Skegalp,
ans Sterben denken zu müssen. Die Sonne stand im Westen so hart über den
Schneezacken des Hochalpstocks, daß es schien, als lohe von dessen Turm ein
mächtiger weißer Brand zum Himmel. Der Hochalpglelscher leuchtete, ein Feuer—
werk von silbernen Blitzen und Funken ging über seine Fläche; in die Stegalp
hinab aber floß nur noch ein goldener, stiller Abglanz und legte sich wie eine Glorie
über die weilen grünen Malten. Die Gebirgsstöcke, deren Wände senkrecht aus
dem-Hochgelände emporstiegen, standen in violetten Abendschatten, am Alpaus—
gang, wo der Weg gen Frutt, der drei Stunden kiefer im Tal liegenden Bahn—
kation hinabführke, und wo die Spitzen der höchsten Hochwaldkannen scharf und
dunkel vom Hinmel sich abhoben, lag ein Rosenschimmer, rein, heilig, das ewige
Licht des ewigen Gokkes.
Und inmitken der Heimatpracht wollke Kuni sterben. Sie saß in ihrem un—
bequemen, vom Urgroßvater selbst gezimmerten, jüngst noch vom Zwyssig-Melk
frischbemalten Lehnstuhl und hielt den Blondkopf in das rotgeblumte Kissen ge—
drückk. Sie sah nicht unglücklich aus; die Jugend will die Nähe des Todes nicht
gelkten lassen. Das Mädchen war auch alleweil so zufriedenen und ergebenen
Sinnes, daß es selbst gegen das unbarmherzige Schicksal, welches es seit Vierkel-
sahresfrist Krank in der Hütte gefesselt hielt; keine Regung der Ungeduld hatte.
Weil Kuni so gar eine Gute wär, trauerte ganz Stegalp. Der alte, graubärkige
Kaplan, dessen Leib so schäbig und hinfällig war wie sein Gewand, und der her-
übergekommen war, seinen Sonnkagsbesuch, zu machen, staunke ganz andächtig in
das schmale Kindergesicht des Mädchens. Es lag ein rührender Ausdruck in den
unregelmäßigen Zügen, darinnen Mund und Nase schön geschnikten waren, die
Stirn aber sich allzu wölbig ob den kiefliegenden hellbraunen Augen aufbaute.
Ddas Siechtum war mit einer edelnden Hand über das Bauerngesicht gefahren;
hatte Kuni ehemals schon als eines der schönsten Skegälpler Mädchen gegolten, so
meinte der Kaplan — gleiche es jetzt schon mehr einer lieben Heiligen.
Kuni hatke seit des Kaplans Kommen noch kein Wort verloren. Zwyssig
und sein gesprächiges Weib hatten so viel von ihres Mädchens Leiden zu klagen,
daß dieses nicht zu Wort gekommen wäre, selbst wenn es gewollk häkte.
Ja, in Gottes und aller Heiligen Namen, so wird's halt zu Ende gehen,“
seufzte Melk und wischte sich mit dem weißen Hemdärmel die faltenumlegten
Augen. Melk war alt für das junge Ding, das ihn Vater nannte. Er hatke sieb-
zig Jahre auf dem Rücken. Aber Kuni war von seinen dreizehn Kindern das
sungste, und sein Weib sah noch aus, als hätten ihr auch noch drei, vier weitere
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