Kunis Heilung

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nichls geschadet. Der Melk, der auf der steinernen Hauskreppe neben seines Mädchens Stuhl hockke, krug einen dünnen, graublonden Spitzbart, lange, gleich— farbige Brauen hingen über seine Augen. Er hatte ein schmales Sorgengesicht, in dem doch die Zählgkeit des Bergbauern zu lesen war. An Sorgen hakke es ihm Tag seines Lebens nie gefehlt, von der Zeit an, da er, ein blukarmer Bub, eine alte Brokkruste für einen Leckerbissen angeschaut, bis auf die Tage, da es galt, dem kleinen Eigenland Vahrung für fünfzehn hungrige Mäuler abzuringen. Melk fuhr sich mit der Hand, die so rauh und Fraufarbig war wie das Gestein der Bergwände, durch das spärliche Haupthaar und redete von seines Rädchens nahem Sterben weikter, unbekümmert darum, daß dieses Workt für Wort mit an— hören mußte. Sein Weib, die Leni, stand ihm redlich bei. Sie war eine saubere, rundliche Frau mit glattem, offenem Gesicht und angenehmen Zügen. Ihr blondes Haar war straff gescheitelt und am Kopfe festgesteckt, ihre Gewandung so sonnkäg— lich sauber, daß sie sich hätke neben der Gwüestbäuerin sehen lassen können, welche die reichste im ganzen Alptal war. Auf den Sprossen der am nahen Gaden leh— nenden Leiker hockten übereinander zwei junge Burschen und schmauchten ihre Pfeifen, das waren Kunis jüngste Brüder, die einzigen, die außer ihr noch in der väterlichen Hütte weilten. Die übrigen Buben und Mädchen haktken weggeheiraktelt, waren weggezogen oder weggestorben. Kunmsaß und staunke ins Weite. Die Hin- und Widerreden der Alten und des Kaplaus gingen ihr verloren. Seit geraumer Zeit wanderken ihre Blicke nach der gleichen Richtung und hafkeken an zwei schwarzen Punkten, die sich an der Nordwand des senkrecht aus dem Alpgrund emporsteigenden Fluckstocks ab- wärks bewegten. Eine Schrunde barg dortkt einen nur den Aelplern bekannken Pfad, wie ihn niemand an der schroffen Wand gesucht hätte. Ueber diesen stiegen zwei Männer zur Alp, an denen Kuni eine absonderliche Freude zu haben schien. Der Kaplan nahm indessen Abschied. Das Mädchen fuhr ganz erschreckt zusammen, als er ihr die verdorrken Finger enktgegenstreckte. Beke zum Herrgokt und gib nicht nach! Vielleicht hat er doch noch ein Einsehen,“ frömmelte der geistliche Herr. Das Mädchen hörke ihn nicht. Der Franz ist es mit dem fremden Herrn,“ murmelle es in sich hinein. Da wandke sich der Hochwürdige unwillig ab. Guke Nacht beisammen,“ sagke er und kram— pelte über die grüne Fläche nach seiner Hütke hinüber, die mit einem halben Dutzend andrer und der weißmauerigen Kapelle die eigenkliche Orkschaft bildeke. Um ein weniges später scholl das Aveglöcklein über die Alp. Melk und sein Weib hatten gleich der Kuni das Reden vergessen, erstere beiden, weil nach des Trösters Weggang der Kummer sie härker bedrängkte, letzkere, weil sie noch immer nach dem Fluckstock spähte. Der Kaplan schaffte emsig am morschen Glockenstrick. Hell und fast lieblich wallten die kurzen Klänge des alken Erzes zur Weite, jetzt verstummend, jetzt fern am Berge noch einmal gleich lehtem Ruf er— wachend. Die Alten und ihre Tochter hattken die Hände gefaltet und die Köpfe ge— neigt, die Brüder auf der Leiter drückten die Pfeifen aus und stiegen zur Erde. Andächtig bektend standen sie in der Hüttkenecke. Derweilen kamen vom Fluckstock her zwei über die MWakken geschrikken. Es währke eine geraume Weile, bis sie Zwyssigs Hülkte erreichten. Aber Kuni hatke ihre Andacht vor der Zeil beendet. und ein heimliches Leuchten kam in ihre große Augen. Lug, der Franz,“ könke da die Stimme des Alten hinker ihr, und dem gleichsam zur Ankwort scholl ein Jauchzen von der Seite der sich Rähernden. Gleich darauf stand der Besuch vor der Hütte. Ein fürnehmer Stadtherr mit goldener Brille, braunem, schönem Vollbart und kluger, hoher Stirn, den schlanken und doch kräftigen Leib in Bergfahrlkkleidern — und ein Bauernbub, der Franz, ein entfernter Verwandter Zwyssigs. Franz Zwyssig war ein strammer Gesell,

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