Sentipost: Sentipost Nr. 4/2018

Deskriptive Daten

Zeitschrift

Titel:: Sentipost

Untertitel:: die Quartierzeitung aus dem Untergrund

Sammlung:: Luzerner Stadt- und Quartierzeitungen

Dokumenttyp:: Zeitschrift

Erscheinungsort:: Luzern

Signatur:: P.b 1688; F1.pa 136

Zeitschriftenband

Titel:: Sentipost Nr. 4/2018

Sammlung:: Luzerner Stadt- und Quartierzeitungen

Dokumenttyp:: Zeitschriftenband

Erscheinungsdatum:: 2018

Permanente ID:: ark:/63274/zhb1142j

Lizenz:: In Copyright 1.0

– 6 – DAMALS sentipost nr. 4/18 Prominenz im No-Name-Quartier Grosser Besuch der Queen Victoria in Luzern von Urs Häner Hundertfünfzig Jahre nach ihrem ersten Besuch in Luzern kam die Queen Victoria erneut zu uns ins Quartier. Vom 7. August bis zum 9. September 1868 wurde die Pen - sion Wallis auf dem Gütsch zum ‹Basis - lager› für ausführliche Schweiz-Reisen der britischen Königin. Nun erinnerte das Historische Museum mit einer gros- sen Aus stellung und einem reichhaltigen Rah men programm während des Som mer - halbjahrs an das damalige Ereignis. «Die Aussicht vom Haus aus & vor allem von meinem Wohnzimmerfenster aus, mit Blick über den See und davor die Stadt, umrandet von den prächtigsten Bergen & leuchtendem Grün im Vorder - grund, ist ideal. Es war wirklich das, was ich erträumt hatte …». Mit diesem Ein - trag vom 7.8.1868, notiert in der Pension Wallis, begann Victoria ihre Aufzeich - nun gen zum Aufenthalt in der Schweiz. Und schon am Tag darauf malte sie ein Aquarell mit Blick von dort Richtung Urner Alpen, offenbar hatten es ihr die Berge sogleich angetan. Sie machte denn auch zahlreiche Ausflüge, zunächst auf den Sonnenberg, später auf die Rigi und auch auf den Pilatus, einmal sogar auf die Furka und zum Rhonegletscher. Dass sie sich dabei in einer Sänfte habe hoch- tragen lassen, ist eine Mär, vielmehr war es ihr Ehrgeiz, jeweils selber hoch zu Ross aufzusteigen. Wer war diese Frau, die da mit ihrer En - tourage die Schweiz bereiste? Geboren 1819 als Princess Alexandrina Victoria of Kent war sie schon 1837 Thronfolgerin ge - worden und herrschte über das British Empire während fast 64 Jahren bis zu ihrem Tod 1901, sie wurde zur mächtig- sten Frau der damaligen Welt. Seit dem Tod ihres geliebten Gatten 1861 trug sie konsequent Schwarz, und die Reise in die Schweiz sollte ihrem ‹gebrochenen Herzen› Gesundung angedeihen lassen. Sie r eiste zwar inkognito und liess sich als ‹Countess of Kent› ansprechen, trotzdem war halb Europa im Bild über ihre Reise. Am 5. September notierte Queen Victoria in ihrem Tagebuch: «Während des Abend - ess ens gaben uns Amateursänger aus Lu - zern ein Ständchen ...» Es handelte sich offenbar um den Männergesangsverein ‹Harmonie›, der da vor der Pension Wallis einen denkwürdigen Auftritt hatte. Vic - toria fuhr fort, sie habe ihnen gedankt, und «während wir dasassen und auf den See & die Landschaft blickten, die vom Mond beschienen wurden, sangen sie 2 Lie der und jodelten dabei.» Was hatte es eigentlich mit dies er Pension Wallis für eine Bewandtnis? Der Name gilt Robert Wallis (1815 –1870) , der die Pen - sion 1866 als Holzbau mit Speisesaal und 12 Gästezimmern hatte errichten lassen. Geboren in Heidelberg (Mutter Schwei - zerin, der Vater ein Engländer) war er ur sprünglich Lithograf, wurde dann Ho - te lier und Künstler und beteiligte sich 1844 am Luzerner Freischarenzug! Er war Scharfschütze und stieg später in den Waffenhandel ein. Man stelle sich vor: Die Queen war zu Gast bei einem Freischär- ler und Waffenhändler …Zwar wurde der Aussenminister Lord Stanley als Auf - passer der Queen hinterher geschickt (er logierte fünf Wochen im Schweizerhof ), kam aber nicht zum Einsatz. Vielleicht war ihm Wallis kein Begriff … Am 9.9.1868 gingen für die Queen Vic to - ria und ihre Reisegruppe (dabei waren u.a. drei ihrer neun Kinder samt Betreu - ern, ein Diener und dessen Bruder sowie ihre zwei Lieblingsponys samt Stall bur - schen) ausflugsfreudige Wochen zu Ende: «Um 1/4 vor 7 verliessen wir mit echtem Bedauern die Pension Wallis, unser lie- bes, bequemes, heiteres kleines Zuhause, wo wir ruhige & sehr erfreuliche Tage ver bracht & wo wir alle wie eine Familie zusammengelebt hatten.» Der Besuch hatte einen nachhaltigen Nach hall im Land: In Luzern und anders- wo bekamen Hotels den Namen Victoria, über zwanzig heissen heute noch so. Und auf dem Vierwaldstättersee zirkulierte ab 1870 während Jahrzehnten ein Rad - dam pfer namens Victoria. A propos Nach - haltigkeit: Hoffentlich kann das His to - rische Museum Luzern auch weiterhin solche Ausstellungen stemmen und wird nicht einfach halbiert!

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