Gasseziitig Lozärn: Gasseziitig Lozärn

Deskriptive Daten

Zeitschrift

Titel:: Gasseziitig Lozärn

Sammlung:: Luzerner Stadt- und Quartierzeitungen

Dokumenttyp:: Zeitschrift

Erscheinungsort:: Luzern

Signatur:: Z.d 116; F1.pa 144; H 132

Zeitschriftenband

Titel:: Gasseziitig Lozärn

Sammlung:: Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern

Dokumenttyp:: Zeitschriftenband

Erscheinungsdatum:: 1999

Bandzählung:: September 1999, No 10

Permanente ID:: ark:/63274/zhb1v700

Lizenz:: In Copyright 1.0

Medienecho Kolumne aus Luzern 3rief aus Bristol In der «Luzerner Woche» schrieb Jerbert Fischer am 9. Juni 1999 in ler Kolumne «Beleuchtet» unter jem Titel «Lob für Gasseziitig» einen Artikel zum GaZ-Extrablatt zur ärztli- »hen Heroinverschreibung. Am 16. August erreichte die GaZ- ’edaktion ein Brief von einem Jour- alisten aus Bristol (Südengland), ler für die wöchentlich erscheinen- e englische Obdachlosen-Zeitung The Big Issue» schreibt. Die «Gasseziitig Lozärn» vermit- elt Einblicke in den Alltag von Menschen, deren eigentlicher Le- »ensraum «die Gasse» ist, deren zxistenzen von Alkohol und Drogen ‚uiniert worden sind. Die Lebens- jeichten dieser Menschen sind also keine Aufsteller, aber es täte so manchen der unzähligen und stets ıllwissenden Stammtischrunden Jut, auch diese Perspektiven ken- nenzulernen, ehe sie zu Generalre- zepten ausholen, Die jüngste Ausgabe der «Gasse- :litig» ist ein Extrablatt und widmet sich der Volksabstimmung über den Bundesbeschluss zur ärztlichen deroinverschreibung. Selbstredend ıimmt sie für die Vorlage Stellung, ınd dem Blatt und seinen Mache- innen und Machern gebührt lauter „ob für die publikumsgerechte Ver- nittlung eines Themas, das von /ielen verdrängt wird — wer will sich schon ohne Not mit einer so depri- nierenden Materie plagen? Da re- den beispielsweise vier Betroffene iber ihre Erfahrungen mit dem deroinprogramm, erzählen über hre Befindlichkeiten - heute im Vergleich zu vorher —- und vor allem iber ihre Ängste vor einem Nein zu lieser Vorlage; da spricht sich die 3etäubungsmittelkommission des Kantons klar für die Weiterführung les Heroinprogramms aus; da be- richtet die Stellenleiterin des Drop ins Luzern, wo die Drogenabhängi- jen behandelt werden, über die er- mutigenden Erfahrungen mit die- sem Programm; da begründen abenso der Stadtpräsident und der :weithöchste Stadtpolizist ihre Zu- stimmung, und auch das Bundes- amt für Gesundheit (BAG) kommt ausführlich zu Wort. Das BAG bringt's denn auch auf lien Punkt: «Ein Nein zum Dringli- chen Bundesbeschluss birgt das Risiko, dass die Zeiten der offenen Jrogenszene und des damit ver- bundenen Elends wieder aufleben. Die Bilder von unwürdigen Lebens- »jedingungen, von jeder Beschrei- ung spottenden hygienischen Verhältnissen und der abgrundtie- ren Hoffnungslosigkeit sind noch n lebhafter Erinnerung. Vielen schwerkranken drogenabhängigen Menschen würde die Hoffnung ge- ı1ommen, einen Ausweg aus einem Leben in Verzweiflung und allmäh- lichem Zerfall zu finden. Die hero- ingestützte Behandlung abzuleh- nen, hiesse auch, die Schwächsten und Hilfsbedürftigsten in unserer Gesellschaft alleine zu lassen.» Ein Makel haftet der jüngsten ‘Gassezliitig» indes an: Nirgends steht, wo sie erhältlich ist. Sie ist offenbar bereits ausverkauft. Zu gönnen wär's ihr. Und die etablier- :‚e Politik könnte von ihr Diverses ernen. Etwa, wie solche Themen ans Volk gebracht werden können. Herbert Fischer ich‘ schreibe für die englische ı1assenzeitung «The Big Issue». Pia 3rugger hat mir ein Exemplar Eurer Sasseziitig Lozärn» geschickt. Ich in an einer Reportage über die artnerstädte von südwestengli- chen Städten und deren Gassen- eitungen. Wenn Ihr mir folgende ragen über die «Gasseziitig Lo- ärn» beantworten könntet, wäre ich 1usserst dankbar. 1. Welche sozialen Probleme gibt ‘s in Luzern? Gibt es Obdachlosen- tatistiken? 2. Welche Themen werden be- andelt? 3. Wie, wann und warum wurde je gegründet? Wieviele Leute wa- an am Anfang dabei, wieviele jetzt? 4. Kann die Zeitung besondere Molge verzeichnen oder hat sie gar inen Preis gewonnen? 5. Wieviele Exemplare werden erkauft, wieviele Verkäufer stehen n Einsatz? 6. Unterstützt die Zeitung die Ob- achlosen noch in anderer Form The Big Issue» hilft bei der Erzie- ‚ung, Stellensuche und gibt Stipen- ‚jen)? 7. Ist es möglich, den Chefredak- or zu interviewen? 8. Was ist jetzt das Hauptthema in ier Schweiz (in England € über jentech-Food diskutiert) A Danny Hurst-Levy Dost aus Wien Anfangs September C die jaZ-Redaktion die neues @Ausga- ’e der Wiener Obdachlosen-Zeitung Augustin» zugeschickt, in der die lepression und die Vertreibung benfalls thematisiert werden. In )sterreich werden die Obdachlo- en liebevoll «Sandler» genannt Unsere Städte sind unsicher ge- vorden, liest man überall. Die gros- en Medien übersehen nur zu oft, ıass die «städtische Gewalt» auch ine Folge der wachsenden sozialen Insicherheit ist. Einige der gängien ’ezepte gegen das Übel (Repres- ion, Vertreibung, «Null-Toleranzı», usgangssperre, schärfere Strafen ir Minderjährige) stammen aus en Vereingten Staaten. Sie richten ch gegen die Armen, die «Sandler: nd andere Randgruppen. Der «Au: ‚ustin» hat immer wieder auf die ‚uch in Österreich beobachteten "endenzen der «sozialen Säube- ung» des öffentlichen Raums hin- ı‚ewiesen. Aus dem «Augustin» Anmerkung der Redaktion: Zuschriften und Leserbriefe müs: en nicht mit der Meinung der Re- laktion übereinstimmen. Die Re- laktion behält sich Kürzungen vor. Adresse: Redaktion Gasseziitia / Postfach 3003 / 6002 Luzern A N. Fa" ENG | A Wieso glauben eigentlich alle Leute. dass ich kein Problem habe? illustration: Maya Fries Gedicht: Aus der Wiener Obdachlosenzeitung «Auqustin» Nieso darf ich nicht aucFk nal traurig sein? Nieso kann ich nicht ıuch mal so richtig ver- zweifeln und nicht mehr veiter wissen? Wieso sagen alle, dass ic dazu keinen Grund habe? Wieso glauben alle, mi: zu kennen? Wieso muss ich immer © ich sein? Wieso nimmt mich keiner arnst? Wieso sagen alle, dass ich noch zu jung sei, um zu wissen, was «Leben: neisst? Wieso sagen alle, dass ch das Leben geniessen soll und keinen Grund habe. da" zu zweifeln? WIESO? Im Ger mo — T { | Zum Tod von Primo möchte ich andlich ein paar persönliche Wor- € schreiben. Vorher war es mir ıicht möglich. Ich hatte mich total lem Schmerz hingegeben. Die Welt hat sich um 180 Grad ge- dreht, und ich bin dabei zu lernen mit Schmerz umzugehen. Die Worte «Mut» und «Kraft» konnte ich gar nicht mehr hören Sicher waren sie gut gemeint, abeı es änderte nichts mehr. Er ruft nie mehr an, um seine neuen Pläne durchzusprechen, er wird auch nie mehr vor meiner Türe stehen. Nun bin ich es, die allen Mut una Kraft wünscht. die das agaleiche Schicksal wie Primo teilen. Nicht ıur Euch Betroffenen selber, son lern den Eltern, den Partnern »>der Partnerinnen, den Freunden ınd auch den Kollegen und Kolle zinnen, vor allem den guten ”reunden, die sicher dünn gesäl ;ind in dieser Lebenslage. Einen riesigen Dank möchte ick ıussprechen, all jenen Leuten, die ?rimo betreut oder auch sonstwie jeholfen haben. Vor allem die letz- e Begleitung hat bei den Betroffe- ıen sicher auch viel Verständnis jebraucht. Namen nenne ich be- wvusst nicht, so kann es mir nicht )assieren. dass ich jemanden ver: jesse. Allen Personen, die ihm in len letzten Jahren das Leben auf rgenwelche Art erleichtert haben, danke ich von Herzen. Jetzt soll sich jeder selber angesprochen fühlen. Paul Schmid muss ich erwäh- ı1en. Das war im Sinn von Primo. zs muss eine wunderbare Freund- schaft entstanden sein zwischen Zuch beiden. Mit ganz herzlichen Grüssen und n der Hoffnung, dass dieser Ab- schiedsbrief an Primo richtig ver- standen wird. Rita-Maria Holenstein, Mutter von Primo Was nötig wär Zin bisschen mehr Freude und weniger Streit, ein bisschen mehr Güte und weniger Neid, ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass, ein bisschen mehr Wahrheit das wär doch was Statt soviel Unrast, ein bisschen mehr Ruh, statt immer nur Ich ein bisschen mehr Du, ;tatt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut, und Kraft zu handeln das wär qut Kein Trübsinn und Dunkel Mehr Freude und Licht, kein quälend Verlangen. und viel mehr Blumen, solang es geht, nicht erst auf Gräbern, da blühn sie zu spät Primo Notaro, geboren am 4. April 1967, lebte die letzten Jahre in Luzern und verstarb am 18. April 1999. Foto: Paul Weher

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